Hornblower 02 - Leutnant Hornblower
Stirn. »Hier, nehmen Sie; damit sind wir rein rechnerisch wohl quitt, aber ich fühle mich weiterhin in Ihrer Schuld, weil ich Ihnen so wertvolle Lehren verdanke.«
Das Bündel Noten, das Hornblower in seine Tasche steckte, war mächtig angeschwollen.
»Ich schätze, Sie werden auf dem Nachhauseweg scharfen Ausguck nach Straßenräubern halten, nicht wahr, Mr. Hornblower?« sagte Parry mit einem Blick auf das Geld.
»Mr. Bush begleitet mich, Mylord. Das müßte schon ein wahrer Herkules sein, der es mit ihm aufnehmen könnte.«
»Heut nacht brauchen wir keine Straßenräuber zu fürchten«, warf der Oberst ein, »heute nacht bestimmt nicht.«
Der Oberst hatte zu seinen Worten ein vielsagendes Grinsen aufgesetzt, die anderen nahmen die Bemerkung, die offenbar einen hintergründigen Sinn besaß, zunächst mit allen Zeichen der Mißbilligung auf, beruhigten sich aber alsbald wieder, als der Oberst mit schwungvoller Geste nach der Uhr wies.
»Unsere Befehle treten Punkt vier Uhr in Kraft, Mylord«, sagte Lamber »Und jetzt ist es halb fünf. Ausgezeichnet.«
In diesem Augenblick trat der Flaggleutnant zur Tür herein.
Er war leise hinausgeschlüpft, als die letzte Karte ausgespielt war.
»Der Wagen steht vor der Tür, Mylord«, sagte er.
»Besten Dank. Ich wünsche den Herren einen schönen guten Abend.«
Sie gingen zusammen zum Tor. Draußen stand der Wagen, die beiden Admirale, der Oberst und der Flaggleutnant stiegen ein. Hornblower und Bush sahen ihnen nach, als sie ratternd davonfuhren.
»Ich möchte bloß wissen«, sagte Bush, »was das für geheimnisvolle Befehle sind, die um vier Uhr in Kraft getreten sein sollen.«
Über den Dächern begann eben der Morgen zu grauen.
»Das weiß der Himmel«, sagte Hornblower.
Sie näherten sich der Ecke der Highbury Stree »Wieviel haben Sie eigentlich gewonnen?«
»Jedenfalls über vierzig Pfund - ich glaube rund fünfundvierzig Pfund«, sagte Hornblower. »Allerhand für eine Nacht.«
»Ja, das Hin und Her des Zufalls bringt im Lauf der Zeit immer den Ausgleich.« Hornblowers Stimme klang merkwürdig matt und teilnahmslos, als er das sagte. Erst nach ein paar Schritten Pause redete er weiter, diesmal plötzlich auffallend laut und nachdrücklich: »Bei Gott, ich wollte, ich hätte dieses Glück schon vorige Woche gehabt - noch gestern früh wäre es früh genug gekommen.«
»Warum denn nur?«
»Wegen dieses Mädchens... das arme Ding!«
»Um Gottes willen!« rief Bush aus. Er hatte längst vergessen, daß Maria eine halbe Krone in Hornblowers Tasche gesteckt hatte, und war nun höchst überrascht, daß dieser noch dara dachte. »Hat es einen Sinn, sich ihretwegen den Kopf zu zerbrechen?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Hornblower, und dann, nach zwei weiteren Schritten: »Ich kann eben nicht anders.«
Bush fand keine Zeit, über dieses seltsame Eingeständnis nachzugrübeln, plötzlich drangen nämlich Töne an sein Ohr, die ihn in solche Aufregung versetzten, daß er nach Hornblowers Ellbogen griff. »Da, horchen Sie!«
In der menschenleeren Straße vor ihnen hörte man harten, militärischen Gleichschritt, der sich rasch näherte. Schon schimmerte weißes Lederzeug im grauen Dämmer des jungen Tages. Eine Militärpatrouille mit geschulterten Musketen! Am rechten Flügel marschierte ihr Führer, ein Feldwebel - Tressen und Sponton verrieten seinen Dienstgrad. »Was soll das nur bedeuten?« sagte Bush.
»Abteilung - halt!« kommandierte der Feldwebel und wandte sich an die beiden Leutnants: »Darf ich die Herren fragen, wer Sie sind?«
»Seeoffiziere«, sagte Bush.
Der Feldwebel hätte eigentlich auch ohne seine Laterne sehen können, wen er vor sich hatte. Jetzt nahm er militärische Haltung an. »Danke, Sir«, sagte er.
»Was machen Sie mit dieser Patrouille, Feldwebel?« fragte Bush. »Ich habe meine Befehle, Sir«, antwortete der Feldwebel.
»Verzeihung, Sir. Im Gleichschritt - marsch!«
Die Patrouille setzte sich wieder in Marsch, der Feldwebel erwies die vorgeschriebene Ehrenbezeigung mit seinem Sponton, als er an den beiden Offizieren vorüberkam.
»Was, in aller Heiligen Namen, hat das zu bedeuten?« fragte Bush kopfschüttelnd. »Wenn Boney überraschend bei uns gelandet wäre, würden jetzt alle Glocken Sturm läuten. Man könnte wahrhaftig denken, ein Preßkommando wäre unterweg und holte auf die richtige alte, scharfe Weise Leute zusammen.
Aber das ist ja unmöglich.«
»Dort! Schauen Sie!« rief Hornblower.
Eine andere Gruppe
Weitere Kostenlose Bücher