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Hornblower 05 - Der Kapitän

Hornblower 05 - Der Kapitän

Titel: Hornblower 05 - Der Kapitän Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. S. Forester
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Genugtuung darüber, daß Lady Barbara überhaupt jemanden beneiden konnte, und war doch gleichzeitig traurig darüber.
    Sie unterhielten sich auch viel über Literatur, wobei ihre Meinungen öfter auseinander gingen, da Hornblower eigentlich nur die Klassiker gelten ließ und sich abfällig über die jüngeren Dichter äußerte, unter denen ein gewisser Walter Scott mit an erster Stelle genannt wurde. Wohl wunderte sich Lady Barbara anfangs darüber, daß ein Seeoffizier ein so großes Interesse für die Literatur besaß, aber sie lernte schnell ihre bisherigen Begriffe einer Prüfung zu unterziehen.
    Kriegsschiffskommandanten waren durchaus nicht einer wie der andere, wie ein oberflächlicher Beobachter hätte meinen können. Von Hornblower und von seinen Untergebenen erfuhr sie, daß es Kapitäne gab, die griechische Elegien schrieben, daß manche ihre Kajüten mit Altertümern voll stopften, die sie auf den griechischen Inseln gefunden hatten, daß dieser oder jener mit Cuvier im Briefwechsel stand und Seetiere klassifizierte.
    Andererseits gab es natürlich auch Kommandanten, denen es Spaß machte, menschliche Rücken mit der neunschwänzigen Katze zerpeitschen zu lassen, die sich jeden Abend bis zur Bewußtlosigkeit betranken und dann im Säuferwahnsinn das ganze Schiff auf den Kopf stellten, und noch andere, die ihre Mannschaft hungern ließen und ihr dabei Tag und Nacht keine Ruhe gönnten.
    Lady Barbara war immer mehr davon überzeugt, daß Hornblower ein besonders tüchtiger Kapitän war, ein Beruf, der vom Publikum ganz erheblich unterschätzt wurde.
    Vom Tage ihres Anbordkommens an hatte Lady Barbara an Hornblowers Gesellschaft Gefallen gefunden. Jetzt war beiderseits eine gewisse Gewöhnung eingetreten. Der eintönige Verlauf der stetig nach Süden führenden Reise war für diese Entwicklung sehr günstig. Zur Gewohnheit wurde der Austausch eines Lächelns, mit dem sie einander in der Frühe beim Betreten des Achterdecks begrüßten, und in diesem Lächeln spiegelten sich die Erinnerungen an die Gespräche, die man abends zuvor geführt hatte. Zur Gewohnheit wurde für Hornblower, nach der mittäglichen Berechnung des Bestecks den Fortschritt der Reise mit Lady Barbara zu besprechen, zur Gewohnheit auch, nachmittags mit ihr Kaffee zu trinken. Vor allem aber bestand nun seit längerem schon die Gewohnheit, abends in der warmen Dunkelheit an Oberdeck zu bleiben, während sich die Unterhaltung scheinbar aus dem Nichts unter dem zauberhaften Schimmer der Sterne immer üppiger entfaltete, bis man sich spät nach Mitternacht zögernd trennte.
    Dabei wurde dieses abendliche Beisammensein niemals auch nur andeutungsweise vereinbart.
    Sie konnten jetzt sogar schweigend beisammensitzen, wortlos den am Sternenhimmel kreisenden Bewegungen der Mastspitzen folgen und dabei dem schwachen Knarren und Knacken des Schiffskörpers lauschen. Dennoch blieben ihre Gedanken gleichgerichtet, und wenn einer von ihnen eine Bemerkung machte, so entsprach sie ganz den Gedanken des anderen. Bei solchen Gelegenheiten ruhte Lady Barbaras Hand an ihrer Seite, so daß sie ohne Schwierigkeit hätte berührt werden können. Oft hatten Männer diese Hand berührt, wenn sie gar keinen Wert darauf legte. Auf Londoner Bällen und bei den Empfängen des Generalgouverneurs war es der Fall gewesen. Nun aber war sie unklug genug, es darauf ankommen zu lassen, obwohl sie sich sagen mußte, daß es in Anbetracht der noch mehrere Monate langen Reise leichtsinnig war, die geringste körperliche Intimität zu begünstigen. Hornblower jedoch schien die Hand nicht zu beachten. Sie sah sein friedvolles und unbewegtes Gesicht zu den Sternen emporblicken, und das Bewußtsein, diese Änderung seines Ausdrucks seit jenem Abend bewirkt zu haben, an dem sie mit Bush sprach, tat ihr wohl.
    Vier Wochen währte dieser angenehme Teil der Reise, während die Lydia immer weiter nach Süden glitt, bis die Abende kühl und die Morgenstunden nebelig wurden, bis das Blau des Himmels sich in Grau wandelte und seit drei Wochen zum erstenmal ein niedergehender Regen das Oberdeck näßte, bis der Westwind schneidend wurde, so daß sich Lady Barbara, falls sie überhaupt oben bleiben wollte, in einen Mantel hüllen mußte. Schließlich fanden die auf der Hütte verlebten Abende ihr unvermeidliches Ende. Das Wetter wurde stürmisch und zusehends kälter, obwohl die südliche Halbkugel ihren Spätsommer erlebte. Zum erstenmal im Leben sah Lady Barbara den Kommandanten in

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