Hornblower 11 - Zapfenstreich
gleiche.
Für Männer, die wußten, daß ihnen nur die erbarmungslose Vernichtung des Gegners helfen konnte, war das alles schauerlich, ja abstoßend einfach.
Von seinem Posten aus sah Hornblower den letzten Mann auf die Princess herübersteigen, dann machten sich die Bootsgäste bereit, das Gepäck der Prisenbesatzung nachzureichen. »Jetzt!« rief Hornblower mit scharfer Stimme.
Meadows und die ihm zugeteilte Gruppe hockten schon in Bereitschaft hinter der Reling. Jetzt warfen sie sich wie ein Sturzbach fallender Leiber in das Boot hinunter. Nur ein Riemen klapperte laut. Hornblower konnte hören, wie Belegnägel Menschenschädel trafen. Man hörte nur einen einzigen bestürzten lauten Aufschrei, dann war Stille. Hornblower konnte nicht hören, wie die Körper der Toten oder Bewußtlosen über Bord geworfen wurden, aber er wußte, daß dies eben geschah.
»Wir haben Waffen für sieben Mann«, hörte man Meadows sagen. »Los jetzt, die Pinnaßbesatzung. Hornblower, besetzen Sie Ihr Boot und legen Sie ab.«
Zwei Stunden hatten sie Zeit gehabt, den Angriff zu organisieren, jeder einzelne kannte die Rolle, die er zu spielen hatte. Hornblower rannte achteraus, eine Gruppe fast unsichtbarer schwarzgesichtiger Gestalten tauchte rechts und links von ihm auf. Ihr Aussehen erinnerte ihn daran, auch selbst seine Hände in den Farbeimer zu tauchen, der da stand, und sich in aller Hast Stirn und Wangen zu beschmieren, ehe das Unternehmen seinen Fortgang nahm. Das Boot des Leichters hing an seiner Vorleine hinter dem Heck. Sie holten es heran und kletterten hinein.
»Loswerfen!« befahl Hornblower, dann wurde mit dem Backbordriemen kräftig abgesetzt. »Riemen bei!« Mit der Pinne in der Hand starrte Hornblower unter dem Heck der Princess hervor in die nächtliche Dunkelheit. Es hatte recht lange gedauert, bis die Pinnaß der französischen Brigg besetzt war.
Endlich sah Hornblower über einen Wellenkamm hinweg, wie sie sich gegen die Laterne der Brigg schattenhaft abhob. Er mußte also noch ein bißchen warten, denn wenn die Besatzung der Brigg zwei Boote zurückkommen sah, da sie doch nur eines entsandt hatte, genügte das wahrscheinlich, die Franzosen zu alarmieren. Es war bestimmt nicht gut, daß die französische Bootsbesatzung vom ersten bis zum letzten Mann über Bord geworfen worden war, ob der Krieg das nun erforderte oder nicht, denn die Franzosen konnten nun einfach behaupten, sie seien ermordet worden. Wenn der Angriff jetzt erfolglos blieb, dann hatten Überlebende an Deck der Brigg bestimmt nicht mit Gnade zu rechnen. Jetzt schon war sich Hornblower darüber klar, daß ihm der schwerste Kampf seines Lebens bevorstand.
Hier gab es nur Sieg oder Tod, ein Mittelding war nicht möglich.
Jetzt sah er, daß sich die Pinnaß der Brigg näherte, im Licht der Laternen war sie klar zu erkennen.
»Backbordruder an!« Das Boot schwenkte herum, als die Riemen griffen. »Ruder an überall!«
Jetzt nahm das Boot Fahrt auf, und die Pinne in Hornblowers Hand begann zu wirken. Er nahm Kurs auf die Brigg; es war nicht nötig, den Männern an den Riemen zu sagen, daß sie alle Kraft einsetzen sollten, wußten sie doch alle, was auf dem Spiel stand. Hornblower hatte einmal in der englischen Geschichte von einem sächsischen Oberkönig gelesen, der von acht Unterkönigen den Fluß Dee entlang gepullt worden war. Ihm ging es heute ganz ähnlich, denn die meisten Riemen in seinem Boot waren von Offizieren besetzt: Bush führte den Steuerbordbugriemen, der Bootsmann Wise, der Arzt Wallis und zwei, drei Steuermannsmaate saßen ebenfalls an den Riemen.
Der Steuermann, der Zahlmeister und der Stückmeister hatten ebenfalls auf den Duchten Platz gefunden. Wo noch Raum war, saßen da und dort einige Matrosen. Das Boot war vollgepackt mit Menschen und lag tief im Wasser, aber man konnte eben auf keinen kampffähigen Mann verzichten.
Schwerfällig schlingernd bewegte sich das überladene Fahrzeug über das schwarze Wasser, die Lichter der Brigg kamen von Minute zu Minute näher. Noch hörte man an Bord des Schiffes keinen Laut, keine Störung der Ruhe - man wartete auf die Rückkehr des entsandten Bootes, und kein Mensch schöpfte Verdacht, ehe es längsseit lag. Man konnte natürlich nicht sicher sein, daß es Meadows gelang, friedlich längsseit zu gehen und dann mit allen Mann gleichzeitig das Deck zu stürmen, so daß sich die Franzosen urplötzlich einer Schar von zwanzig unbändigen Feinden gegenübersahen, während sie doch
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