Horror Factory 3 - Der Blutflüsterer
1
Ich mag Blut
Leichen sind etwas Wunderbares stand in blutroter Schrift auf dem Cover der Zeitschrift, die der Mann kurz musterte und wieder zurücklegte.
Bettina fand die Schlagzeile makaber, um nicht zu sagen, widerlich. Außerdem erinnerten sie die Worte auf höchst unangenehme Weise an ihren Ex; sie hatte Jonathan nun schon fünf Mal gesehen, seit sie ihn aus der Wohnung rausgeworfen hatte. Zwei Mal hier im Supermarkt, drei Mal unterwegs, und ein Mal hatte dieses Arschloch ihr sogar vor ihrem Haus aufgelauert. Zum Glück war er nicht handgreiflich geworden. Bettina ging zurück zu ihrer Kollegin an einer der beiden verwaisten Kassen und ließ sich auf ihren knarrenden Stuhl fallen.
Abends, kurz vor Ladenschluss, war nie viel los: Eintönigkeit im Sonderangebot. Sie deutete auf den Kunden: »Einkaufsgewohnheiten verraten eine Menge über das Wesen eines Menschen.« Sie wunderte sich selbst, wie hochgestochen das klang. »Er wird gleich weitergehen, eine Sekunde beim Obst und Gemüse stehen bleiben und sich eine Packung Cocktailtomaten greifen.«
Ihre Kollegin Andrea saß genauso gelangweilt wie sie an ihrem Arbeitsplatz. »So? Ich kenn den nich’.«
»Er kommt immer montags hierher, kurz vor Ladenschluss. Und jedes Mal kauft er …«
»Lass mich raten. Cocktailtomaten. Und?«
»Und er mag sie gar nicht.« Bettinas Kopf schmerzte, auf die Art, die einen ausgewachsenen Migräneanfall ankündigte. Ausgerechnet heute, wo sie allein war. Die Aufregung. Es musste die Aufregung wegen Jonathan sein. Leichen sind etwas Wunderbares, ging es ihr durch den Kopf. Wer dachte sich nur so einen Mist aus?
»Aber er kauft sie trotzdem, weil …?«, fragte Andrea. »Nun red schon!« Sie kaute einen Kaugummi.
Bettina schüttelte die trüben Gedanken ab. »Weil seine Frau sie so gerne gegessen hat. Nur ist sie seit einem Jahr tot.«
»Armer Kerl.«
»Muss ein seltsames Gefühl sein.«
Der Gummi wanderte von der rechten in die linke Backentasche. »Was? Tot zu sein?«
»Findest du das witzig?«
»Schon.«
Ich nicht.
»Okay, ehe du beleidigt bist, Betty: Ja, es muss ein komisches Gefühl sein, wenn der Ehepartner stirbt.«
Weiter kam sie nicht, denn der Kunde steuerte die Kassen an. Eine Fernsehzeitschrift, die Tomaten und ein Päckchen Käse – der superreife Cheddar mit Chilistücken. Mehr nicht. Immerhin kein Alkohol. Könnte wohl schlimmer sein.
Bettina kassierte und schaute ihm hinterher. Er ging leicht gebeugt, so, als würde ihn etwas niederdrücken. Sie massierte sich den Nacken.
»Hast du wieder deine Kopfschmerzen?«, fragte ihre Kollegin.
Sie nickte.
»Dann geh schon heim! Ist ja keiner außer uns beiden noch da, der sich drüber beschweren könnte. Ich denke, mit dem Ansturm werde ich auch allein fertig.«
»Danke. Nett von dir.« Bettina schloss ihre Kasse, holte sich ihre Jacke und das Handtäschchen aus dem Aufenthaltsraum und verließ den Supermarkt.
Eine der drei Lampen auf dem Parkplatz war ausgefallen. Natürlich die, unter der sie vor zehn Stunden ihren Wagen geparkt hatte. Ihr Magen knurrte. Es war dunkel. Sie nestelte den Schlüssel aus der Jackentasche und ging zu dem Auto, das einsam und verlassen vor einer düsteren Reihe aus Büschen stand.
Unwillkürlich erinnerte sie sich an gestern, an den Heimweg. Jonathan, der Arsch, hatte am hintersten Eck des Parkplatzes gestanden, gerade so weit weg, dass sie nicht ganz sicher sein konnte, ob er es tatsächlich war. In seiner Hand hatte etwas geblitzt, und sie hatte an das Messer gedacht, das er immer bei sich trug.
Mit der Erinnerung kam die Angst. Ihre Finger zitterten, als sie aufschloss.
Keine drei Sekunden später schlug sie die Tür hinter sich zu und verriegelte von innen per Knopfdruck. Klack , ein Geräusch, das Sicherheit verhieß. Oder simulierte.
Sie sah durchs Fenster nach draußen. Wo war er? Niemand zu sehen. Selbstverständlich nicht. Sie startete den Motor und fuhr mit zu viel Gas los. Das Dröhnen des klappernden Auspuffs hallte wie ein Donnerschlag.
Diese elenden Kopfschmerzen machten sie noch verrückt!
Natürlich, was auch sonst. Bestimmt trug kein durchgeknallter Exfreund, der sie stalkte, die Schuld an ihrem Verfolgungswahn.
Muss ein seltsames Gefühl sein, tot zu sein, dachte sie.
Sie rollte vom Parkplatz, wollte abbiegen, aber da …
… da lag das Mädchen. Hinter dem Hügel, im Schatten, so, dass man es von der Straße aus nicht sehen konnte, und vom Parkplatz aus auch nur, wenn man genau hinschaute. Oder
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