Horror Factory - Teufelsbrut (German Edition)
Arme legen, erfüllte sie derart mit Grauen, dass sie glaubte, ihr würde eiskaltes Wasser in den Kopf gegossen, das durch ihren ganzen Körper bis zu den Füßen hinabrann und sie langsam anfüllte.
Pein war längst fort, das Weinen des Kindes lange verstummt, als Callie sich immer noch unter diesem Gedanken wand. Wie wild gebärdete sie sich, wusste, dass sie es tat, und konnte doch nicht damit aufhören. Als führte sie unter grässlichem Zwang einen Veitstanz auf, als stünde Pein noch vor ihr und drohte, sie mit dem kalten, blutigen Balg zu berühren, damit es einen letzten Albtraum mit ihr teilen konnte – bevor er ihr mit seinem heißen Samen das nächste in den Bauch säte.
Sie zappelte, die Ketten an ihren Manschetten klirrten, peitschten, trafen sie, und vielleicht war es der Schmerz von den Eisengliedern, die ihr ins Gesicht schlugen, der sie halbwegs zur Besinnung brachte. Oder ihr wenigstens ihre Erschöpfung bewusst machte.
Sie ließ sich schwer und blind sacken, die Arme noch halb erhoben – und stürzte haltlos zu Boden, hing plötzlich nur noch mit einem Handgelenk in einer eisernen Manschette. Die andere Hand war aus ihrem Reif herausgerutscht.
Augenblicklich war Callie völlig still. Fassungslos und starr.
Dann, fast hörbar knirschend wie ein uraltes Räderwerk, das sich seit Jahren nicht gerührt hatte, setzte sich ihr Gedankenapparat wieder in Bewegung und formulierte zaghaft eine stumme Frage:
Bin ich … frei?
5
Jetzt
Daniel McCrombie wachte auf. Er wusste, dass er schlecht geträumt hatte, nur konnte er sich jetzt schon nicht mehr erinnern, wovon. Aber es musste furchtbar gewesen sein, denn ihm schlug jetzt noch, da er im Dunkeln zur Decke seines Zimmers hochstarrte, das Herz im Hals.
Der Lichtbalken des Leuchtturms vorne an der felsigen Inselspitze warf auf jeder Runde einen Streif Helligkeit zum Fenster herein, als husche ein Geist durchs Zimmer. Daniel wartete noch einen Augenblick, bis sein rasender Herzschlag sich einigermaßen beruhigt hatte, dann stand er auf, um die lichtdichte Jalousie herunterzuziehen. Manchmal störte ihn der Leuchtturm nachts nicht. Heute schon.
Trotzdem war die Jalousie nicht heruntergezogen, als Daniels Mutter wenig später, weil sie etwas gehört zu haben glaubte, ins Zimmer schaute und es leer vorfand.
Ihr Sohn war verschwunden.
Aber noch ehe sie Gelegenheit hatte, darüber wirklich zu erschrecken, klingelte es unten an der Tür. Und bevor sie ihren Mann wecken und zur Haustür hinuntergehen konnte, wusste sie schon, wer ihnen da so spät in der Nacht seine Aufwartung machte: Durch die zur Straße weisenden Fenster ihres Hauses fiel der flackernde Widerschein des Rot- und Blaulichts eines Polizeiwagens.
*
»Das ging ja schnell«, sagte Eric zu sich selbst. Am großen Panoramafenster des rustikalen Ferienhauses stehend, ließ er den »Daily Dirt«-Weblog vom Display des iPads verschwinden. Dann schweifte sein Blick über die Meeresbucht und blieb schließlich auf Big Rock Falls ruhen. Der ursprüngliche Teil der kleinen Stadt am Puget Sound lag wie auf einem Teller da, den ein schmaler schwarzer Arm in den Sund hinaushielt. Wie Glutpunkte in Asche schimmerten die Straßenlichter zu Eric herauf. Von weiter draußen drang das Tuten eines Nebelhorns übers Wasser heran. Der Lichtfinger des Leuchtturms auf der felsigen Inselküste streifte über die Bucht und immer wieder dicht unterhalb des Ferienhauses der Andersons über den bewaldeten Hang des Festlandufers.
Der anonyme Betreiber des lokalen Blogs hatte also entweder erfahren, dass er, Eric Anderson, heimgekehrt war, oder er hatte ihn sogar selbst gesehen. Ein aktuelles Foto von ihm zu schießen, hatte sich der Unbekannte nicht getraut, vermutlich aus Angst, dabei ertappt und entlarvt zu werden. Egal. Eric war nicht gekommen, um die Identität des namenlosen Lokalreporters aufzudecken. Und er war froh, dass dieser seinerseits auf ihn aufmerksam geworden war. Eric wollte, dass jeder dort unten und im Umkreis wusste, dass er wieder da war. Denn jeder dort unten und im Umkreis konnte es damals gewesen sein – und nun war er ebenfalls wieder da.
Natürlich gab es keine Beweise, dass heute tatsächlich derselbe Mörder umging wie damals; zumindest waren der Öffentlichkeit keine solchen Beweise bekannt. Eric brauchte sie auch nicht. Er wusste es. Er hatte es mehr als nur geahnt, als er im Sanatorium auf Orcas Island von dem ersten Mord gelesen hatte, und er hatte es gespürt, kaum dass er wieder
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