Horror Factory - Teufelsbrut (German Edition)
alles vorbei sein, wenn er sich der Vergangenheit so stellte, wie es ihm vorschwebte?
Auf die eine oder andere Weise bestimmt …
Da, eine Bewegung, die nicht der Wind verursacht hatte! Und die sich auch dann fortsetzte, als Eric selbst stehen blieb und genau hinschaute. War da jemand? Oder nur etwas, ein Tier oder ein wandernder Schatten, dem Nacht und Nebel scheinbares Leben verliehen?
Ein Schatten war es jedenfalls nicht. Unter einem Schatten zerbrachen keine toten Zweige, raschelte kein welkes Laub.
Und ein Tier stahl sich nicht auf zwei Beinen durch die Nacht.
Einen Moment lang wollte Eric einfach nur seine Taschenlampe einschalten und die Gestalt, die da ums Haus schlich, mit ihrem Licht aus der Dunkelheit reißen. Dann entschied er sich anders und rannte los.
Weil ihm kalt war, schmerzte ihn jeder Schritt. Trotzdem lief er so schnell wie noch nie im Leben, schneller als damals, als er geglaubt hatte, dem Mörder davonlaufen zu können auf den kurzen Beinen eines Achtjährigen.
Fünf, sechs Schritte. Er glaubte, dahinzufliegen. Eine Sekunde, nicht länger, dann war er der scherenschnitthaften Figur im Nebel so nahe, dass er sich mit einem Satz auf sie stürzen konnte.
Der andere hörte ihn erst in diesem Augenblick kommen und drehte sich eher erschrocken als zur Abwehr bereit um. Als er Erics erhobene Hand mit der Taschenlampe auf sich zurasen sah, riss er zwar noch einen Arm hoch, aber es war zu spät. Erics Hieb drosch ihn beiseite und traf. Eric spürte, wie ihm Blut warm ins Gesicht spritzte.
Der andere ging stöhnend zu Boden. Eric schaltete die Lampe ein und richtete den Lichtkegel nach unten; in der anderen Hand hielt er, zitternd, das schmale Messer aus dem Angelkeller, mit dem Dad einst die Fische aufgeschnitten hatte, um sie auszunehmen. Einen fast Übelkeit erregenden und endlos scheinenden Moment lang hatte Eric richtiggehend Lust, den vor ihm kauernden Mann aufzuschlitzen – so wie er damals aufgeschlitzt worden war.
Allerdings nicht von diesem Mann. Denn das war nicht der Mörder – das war der Mann, der ihn damals vor dem Mörder gerettet hatte.
*
…
: Ob Eric Anderson damals einer wie wir war?
: Mir stellt sich eine andere Frage.
: Verstehe.
: Ich seh schon, große Geister denken gleich. ;-)
: Die Frage ist, ob Eric Anderson HEUTE einer von uns ist.
: Genau. Und ob er DESHALB zurückgekommen ist.
: Oder sogar zurückkommen MUSSTE.
*
»Warte, ich helf dir.«
Eric hatte noch ein Holzscheit ins Kaminfeuer gelegt, während Sean Walsh auf der Couch versuchte, sich ein Pflaster über die kleine Platzwunde auf seiner Stirn zu kleben.
»Ich kann ja von Glück reden, dass du nur mit deiner Taschenlampe zugeschlagen hast, anstatt mich gleich mit deinem Fischmesser aufzuschlitzen«, brummte der hagere Mann, den Eric kräftiger und mit vollerem blonden Haar in Erinnerung hatte. Sean Walsh war, soweit er wusste, gerade mal vierzig, aber er sah mindestens zehn Jahre älter aus. Das Leben hatte es nicht besonders gut mit ihm gemeint. Das Leben und die Leute in Big Rock Falls.
Schweiß stand Sean auf der Stirn. »Sag mal, muss es hier drinnen so heiß sein?«
Die Heizung lief immer noch, obwohl längst das Feuer im Kamin gereicht hätte, um für eine behagliche Temperatur zu sorgen.
»Sorry«, erwiderte Eric, wischte seinem Lebensretter von damals mit Mull den Schweiß ab und klebte ihm dann schnell das Pflaster auf die Stirn. »Ich brauch’s warm, um geschmeidig zu bleiben. Und das«, er wies mit einer Kopfbewegung auf die Wunde, »tut mir echt leid.«
Sean winkte ab. »Schon gut. Bin ja selber schuld. Hätte einfach klingeln sollen, anstatt durchs Fenster schauen zu wollen, um herauszufinden, wer sich in eurem Haus herumtreibt.«
Eric grinste schief. »Und ich dachte, inzwischen wüsste die ganze Stadt, dass ich wieder da bin.«
Der ums Doppelte ältere Mann erwiderte das Grinsen. »Du vergisst, dass in der ganzen Stadt kaum jemand mit mir redet.«
Eric ließ sich ihm gegenüber in einem Sessel nieder. »Daran hat sich nichts geändert, wie?«
Sean schüttelte den Kopf und trank von der Dose Coke, die Eric ihm hingestellt hatte. »In Big Rock haben die Leute ein Gedächtnis wie Elefanten. Und dann gibt’s da eben noch ganz bestimmte Leute, die dafür sorgen, dass nichts in Vergessenheit gerät. Auch wenn an diesem ›Nichts‹ nie was Wahres dran war.«
»Ich versteh nicht, warum du hiergeblieben bist«, sagte
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