Hosen runter: Roman (German Edition)
nicht mehr auseinanderhalten konnte. Da ist mir klar geworden, dass in meinem Leben was schiefläuft.«
»Aber ich leide nicht darunter.« Ich wurde langsam nervös und nahm einen Schluck Pinot. Was ging hier vor? Plötzlich war nicht Ralph der Gestörte, sondern ich.
»Kein Wunder: Bei dir marschieren die Frauen automatisch ins Geschäft. Unter diesen Voraussetzungen wären wir alle Sexweltmeister«, redete Hermann jetzt auch noch meine Erfolge klein.
»Und in puncto Freundschaft möchte ich dich nur daran erinnern, dass ich dir bei deinem letzten Umzug geholfen habe«, meinte Ralph. »Obwohl es saukalt war und ich mir extra einen Urlaubstag nehmen musste.«
Das war korrekt. Und über fünf Jahre her. Ralph würde mich noch im Altersheim daran erinnern. Und er würde bis dahin immer noch keinen Sex gehabt haben. Das schien er zu ahnen und bohrte unnachgiebigweiter. »Du stehst in meiner Schuld! Und es geht nur um eine Stunde. Das kann doch nicht so schwer sein.«
Ich hätte ihm auch zwei oder zwanzig Stunden zur Verfügung gestanden – wenn es darum gegangen wäre, seinen Keller auszuräumen, sein Auto abzuschleppen, ihn zu einem anständigen Friseur zu begleiten oder für ihn bessere Klamotten einzukaufen. Der Gedanke hingegen, in einem Raum eingesperrt zu sein mit einem traurigen Haufen Männer, die sich gegenseitig vorjammerten, wie schrecklich ihre Kindheit oder dass ihre Mutter an allem Schuld war, machte mich fertig. Und über all das würde vermutlich noch ein Oberneurotiker wachen.
»Ralph, ich lasse mir nicht von einem schwabbligen Oberlehrer mit dreckigen Fingernägeln und Schweißflecken unter den Achseln erzählen, wie man Frauen klarmacht. Diese Gestalten haben in den Siebzigern das letzte Mal Sex gehabt und sind deswegen Analytiker geworden, weil sie selbst das größte Problem sind!« Damit war das Thema für mich erledigt.
Doch aus irgendeinem Grunde änderte Ralph unerwartet seine Strategie und setzte aufs Schleimen. »Tom, was Erfolg bei Frauen anbetrifft, macht dir doch keiner was vor. In der Gruppe werden sie dich bewundern. Jemand wie du ist doch die letzte Hoffnung für einen wie mich. Vielleicht sogar die letzte Hoffnung aller verzweifelten Männer.«
Langsam begann Ralph mir wirklich leidzutun. Es schien ihm irre wichtig zu sein. Als ob dort die Erlösung von all seinen Problemen auf ihn wartete.
»Komm, Alter, lass mich nicht hängen. Gib dir einen Ruck! Ich bin echt am Ende.«
Es war zum Kotzen. Was ihm mit Frauen seit Jahrzehnten gründlich misslang, hatte er mit mir nach zwei Drinks geschafft: Er hatte mich so weit, mich ficken zu lassen. Das war nur mit noch mehr Alkohol zu ertragen. Ich winkte dem Kellner an der Bar, bedeutete ihm, reichlich Nachschub an unseren Tisch zu bringen, und stürzte den Rest aus meinem Glas in einem Zug herunter. Dies war definitiv der richtige Moment, um sich mit Alkohol zu trösten. Als Mann warst du am Ende zwar immer der Arsch, aber ich wollte es wenigstens als Freund nicht sein.
»Okay. Ich bin dabei«, brachte ich irgendwie über die Lippen. »Aber ich komme nur, wenn dieser Quatsch nicht während meiner Geschäftszeiten stattfindet.«
»Nein. Es geht abends um acht los«, sagte Ralph.
Das klang schon besser: nach Einbruch der Dunkelheit. Da sah mich wenigstens keiner, wenn ich den Männerknast betrat. »Muss ich sonst noch was wissen?«
Er zögerte. »Nun ja, entgegen deinen Befürchtungen wird die Gruppe nicht von einem schwer neurotischen Analytiker geleitet.«
»Aha. Von wem sonst? Von einer Transe? Oder von einem Marsmenschen?«
»Nein«, sagte Ralph. »Von einer Frau.«
KAPITEL 2
Wie Frauen über Männer reden, wusste ich von meinen Kundinnen. Aus den Umkleidekabinen drang vieles bis zu mir an den Kassentresen. Frauen in Dessous plapperten gern und laut. Ich konnte sie dabei belauschen wie ein Geheimagent auf der Spur der weiblichen Weltverschwörung. Was ich dabei über das andere Geschlecht herausfand, war jedoch alles andere als schön und machte mir bisweilen Angst: Frauen, die sich über Sex, über Liebe oder über ihre Beziehungen unterhielten, neigten dazu, ihre Männer mit unerbittlicher Grausamkeit in alle Einzelteile zu zerlegen. Wie Pathologen in der Gerichtsmedizin, die sich, mit Skalpellen bewaffnet, daran machten, einem Mordopfer seine letzten Geheimnisse zu entreißen, weideten die Frauen mitten in meinem Laden ihre Männer aus. Dabei brachten sie erbarmungslos all deren Unzulänglichkeiten und Schwächen ans
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