Hosen runter: Roman (German Edition)
Zimmer ein und versank in selbstmitleidigenBetrachtungen, bis mich eine Erkenntnis dazu brachte, mein Martyrium zu beenden: Egal, wie sehr man sich auch bemühte – als Mann warst du am Ende immer der Arsch.
Für Silvana war ich vor zwanzig Jahren der Arsch, weil ich sie nicht gevögelt hatte. Für Vera Hubert war ich es vor einigen Tagen, eben weil ich es getan hatte. Sie war eine reizvolle Blondine, die regelmäßig in meiner Dessousboutique einkaufte. Vera hatte nicht viel ausgelassen, was man ihr ansah, was sie aber sehr sympathisch machte: Sie trank gern, hatte schon eine Ehe hinter sich und vögelte nach Lust und Laune. Als sie an diesem Nachmittag vor mir stand, wollte sie ganz offensichtlich keine Unterwäsche kaufen, sondern vor allem etwas vom Sekt haben, den ich für meine treuen Kundinnen stets griffbereit im Kühlschrank aufbewahrte. Nach einer halben Flasche begann sie, mich abzuknutschen, nach einer Flasche knöpfte sie mein Hemd auf, und kurz nach dem Öffnen der zweiten schloss ich die Ladentür hinter uns zu und wir verbrachten einen super Nachmittag in ihrem Schlafzimmer. Danach wickelte sie sich kommentarlos in die einzige Bettdecke, verzog sich wortlos ans andere Ende der Matratze und ließ mich nackt neben sich auf dem Laken liegen. Nach einer Weile war ich mir sicher, dass sie eingeschlafen war. Nun gut, sagte ich mir, die wusste auf jeden Fall, was sie wollte, und das hatte sie offensichtlich bekommen. Mir wurde langsam kalt. Vera hatte sich in ihre Federn eingerollt, als stünde der atomare Erstschlageiner feindlichen Supermacht unmittelbar bevor, was ich als unmissverständliche Aufforderung verstand, mich anzuziehen und abzuzischen. Beim Ankleiden achtete ich darauf, sie nicht zu wecken, und schlich mich aus ihrer Bude. Zu Fuß wäre ich in einer guten halben Stunde bei mir.
Ich war keine hundert Meter weit gekommen, als mein Handy klingelte. Die Nummer war unterdrückt. Vielleicht eine Kundin, die vor meinem verschlossenen Laden stand?
»Hast du deinen Spaß gehabt, du Arschloch?«, schrie Vera in mein rechtes Ohr, um gleich darauf aufzulegen. Fassungslos blieb ich im einsetzenden Nieselregen stehen. Was war denn nun los? Was hatte ich falsch gemacht? Es war doch Vera gewesen, die mich nach dem Sex kaltgestellt hatte. Wäre ich bei ihr geblieben, hätte sie mir vorgeworfen, dass ich immer noch in ihrer Wohnung rumhing. Aber indem ich ging, wurde ich zum hundsgemeinen Schwein, das nur seinen Spaß haben wollte. Da war nichts zu machen: Für Frauen warst du als Mann am Ende immer der Arsch.
Mein einziger Trost war, dass Veras Wutanfall meinem Sexleben nicht schaden würde, weil ich seit über fünf Jahren täglich von halb nackten Frauen umzingelt war. Das Eröffnen dieses Dessousladens bedeutete die taktische Meisterleistung meines Lebens, zumindest in sexueller Hinsicht. Jeden Morgen betrat ich eine dreidimensionale Highend-Männerphantasie. Mit dem Aufschließen der Ladentür begann für mich stets eine neue Episode einer Real-Life-Doku, in der der glücklicheHauptdarsteller, ein siebenunddreißigjähriger Mann, zumindest einen Teil dessen, wovon er als Teenager immer geträumt hatte, Wirklichkeit werden ließ.
Das unterschied mich von meinem alten Schulfreund Ralph Schornagel, dessen Liebesleben eine Chronik des Scheiterns war: nahezu kein Sex seit 1975 – und das war das Jahr, in dem er geboren wurde. Ralph war der dufte Kumpel, aber nicht nur für seine besten Freunde, sondern tragischerweise auch für sämtliche Frauen, die er kennenlernte.
Heute stand er wieder mal wie ein schüchterner Teenager vor mir im Laden, hatte die Hände in den Hosentaschen und sah mich durch seine blonden Haarsträhnen an. Seit Monaten trug er diese völlig überholte Britpop-Frisur, mit der er erst recht wirkte wie ein verschlafener Zwölfjähriger. Aber wenigstens belagerte er mich nicht täglich mehrere Stunden lang, um Beziehungsanalyse zu betreiben, wie unser Kumpel Markus. Der war vor sechs Wochen von seiner Braut verlassen worden und terrorisierte mich seitdem mit dem leidigen Thema.
Das Heikle an Markus’ Trennung war, dass ihn seine Verlobte Tanja nicht einfach verlassen hatte. Sie hatte ihn mit dem gemeinsamen Kind sitzen lassen – einem acht Monate alten Sohn.
Es war wohl eine Art Kurzschlussreaktion, nachdem sie erfahren hatte, dass Markus sie während ihrer Schwangerschaft betrogen hatte. Trotz seiner Beteuerungen, dass es nicht mehr als ein betrunkener Absturz und ganz furchtbar
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