Hotel Transylvania
gelüftet.
VAMPIRE
Bei der Festlegung, welche der allgemeinen Charakteristiken von Vampiren in diesem Roman nützlich sein würden, las ich eine ganze Menge der erhältlichen Literatur zu dem Thema, die von gelehrten Studien bis zu abergläubischen Berichten reichten. Ich erstellte mir eine Tabelle für die verschiedenen Vampirglauben, und was für 80 Prozent der Kulturen zutraf, akzeptierte ich als wahr und brachte es in diesem Roman unter. Meine Schlussfolgerungen lauten folgendermaßen: Was auch immer es ist, das ein Vampir in Blut für lebensnotwendig erachtet, Ernährung ist jedenfalls nicht der Hauptzweck. Da Vampire nicht wie normale Menschen essen oder ausscheiden, muss das getrunkene Blut anderen Funktionen dienen. Offenbar wird es auch nicht dem Kreislauf zugeführt, denn offenbar wird ein Großteil der Funktion des Blutkreislaufs vom Lymphsystem übernommen, was teilweise die erhöhte Empfindlichkeit gegen Sonnenlicht erklärt (allerdings laufen zwei der Großen Alten Vampire der Literatur, Dracula und Ruthven, im hellen Sonnenlicht umher, ohne offensichtlichen Schaden zu nehmen). Blut verschafft also Nahrung nur in sehr begrenztem Sinne, und so lange dieses Blut von Säugetieren stammt, verschafft es dem Vampir die geringen Nahrungsstoffe, die er benötigt.
Das psychische Element des Vampirismus ist eine andere Sache. Was die meisten Vampire (jedenfalls die fiktive Variante) zu suchen scheinen, ist nicht Blut, sondern Leben (»Denn das Blut ist das Leben, Mr. Harker«, sagt Dracula). Es ist die Intimität, die das Blut bedeutsam macht, und der Vampir sucht in Wirklichkeit den körperlichen Kontakt. In Erweiterung dieses psychischen Elements sind Vampire offenbar psychokinetisch veranlagt, denn man schreibt ihnen die Fähigkeit zu, das Verhalten von Mensch, Tier und Wetter beeinflussen zu können.
Eine Unmenge an Material ist über die dem Vampirismus zugrunde liegende Sexualität verfasst worden, und natürlich ereignen sich die meisten vampirischen Angriffe bei Nacht, im Bett, und sorgen bei einem der Beteiligten für Erschöpfung. Nun stimmen die meisten Kulturen darin überein, dass Vampire keinen geschlechtlichen Genitalkontakt vollziehen können, sondern dass sie ihrem Verlangen durch ihren Biss Ausdruck verleihen, was sämtliche Freudianer zu Freudentänzen veranlassen wird. Es ist also nicht das Blut selbst, sondern der Akt der Aufnahme, der den Vampir ernährt. Gewiss ist dies mit einem chinesischen Vampir stimmig, der kein Blut, sondern Rückenmarkflüssigkeit aus dem Hals zapft.
In den europäischen Ländern hat man den Vampiren oft und gerne ketzerische und satanische Eigenschaften zugeschrieben, aber diese Einstellung ist in sich widersprüchlich. Wenn Vampire sich beispielsweise tatsächlich vor dem Kreuz fürchteten, würde es reichen, wenn man sie unter einem solchen begräbt, und damit wäre die Sache erledigt. Es sind also nicht die Glaubenssymbole, welche die Vampire beherrschen. Sie sind auch nicht satanisch. In ihrem Verhalten findet sich kein Element der Teufelsanbetung. Und nur in christlichen Ländern hegt man die Ansicht, dass die Ausübung von Zauberkunst zu Lebzeiten den Vampirismus nach Eintreten des Todes begünstige.
Ob sie nun mit Grauen oder Neugier betrachtet werden, Vampire und die um sie angesammelten Geschichten haben auf die Menschheit schon seit langer, langer Zeit eine machtvolle Faszination ausgeübt, und es liegt auf der Hand, dass es etwas gibt, das wir an einem untoten Wesen, das die Lebenden angreift/verführt, sowohl anziehend als auch abstoßend finden. Ein Großteil dieser Haltung entspringt sicherlich einer allgemeinen ambivalenten Einstellung zur Unsterblichkeit und einer gewissen anhaltenden Furcht vor dem Tod.
Varney, Dracula, Lord Ruthven und ihre verschiedenartigen Kinder (dieser Saint-Germain zählt ganz gewiss dazu) haben stets einen ganz besonderen Platz in der makabren Literatur eingenommen. Wenn sie nicht etwas Verborgenes in uns ansprächen, wären sie nicht hier.
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