Hotel
Gedächtnis einprägen.
Er sagte: »Könnte ich vielleicht auch dem Herzog unser Bedauern über –«
»Das ist nicht nötig«, erwiderte die Herzogin entschieden.
Er war im Begriff, sich zu verabschieden, als die Tür zum Salon, die angelehnt gewesen war, sich vollends öffnete, und der Herzog auf der Schwelle erschien.
Er war nachlässig gekleidet und trug nur ein zerknittertes weißes Oberhemd und Smokinghosen. Instinktiv suchte Peter nach den Spuren der Shrimps Creole, die Natchez, wie die Herzogin behauptete, über den Anzug ihres Mannes geschüttet hatte. Er entdeckte einen kaum wahrnehmbaren Fleck, so winzig, daß der Kellner ihn sofort hätte entfernen können. Hinter dem Herzog, an einer Wand des Salons, flimmerte der Bildschirm des eingeschalteten Fernsehgerätes.
Das Gesicht des Herzogs war gerötet und faltig und wirkte älter als auf seinen letzten Fotos. Er hielt ein Glas in der Hand, und seine Stimme klang verschwommen. »Oh, Verzeihung! Hör mal, altes Mädchen«, sagte er zur Herzogin gewandt, »muß meine Zigaretten im Wagen liegengelassen haben.«
Sie erwiderte scharf: »Ich bring’ dir welche.« Ihr Ton war schroff abweisend. Der Herzog machte mit einem Nicken kehrt und verschwand im Salon. Der kurze Wortwechsel hatte etwas seltsam Beklemmendes und schien den Zorn der Herzogin aus unerfindlichen Gründen noch stärker anzufachen.
»Ich bestehe darauf, daß Mr. Trent ein ausführlicher Bericht zugeht«, fauchte sie, »und ich erwarte, daß er sich persönlich bei uns entschuldigt.«
Noch verdutzter als zuvor trat Peter den Rückzug an, und er war kaum draußen, als die Tür hinter ihm energisch geschlossen wurde.
Zum Nachdenken blieb ihm jedoch keine Zeit. Auf dem Korridor wartete der Boy, der Christine in die 14. Etage begleitet hatte. »Mr. McDermott«, sagte er eindringlich, »Miss Francis braucht Sie in der Nummer 1439. Kommen Sie, bitte, schnell!«
4
Etwa eine Viertelstunde früher, während sie zum 14. Stock hochfuhren, sagte der Boy grinsend zu Christine: »Sie spielen wohl ein bißchen Detektiv, Miss Francis?«
»Wenn der Hausdetektiv da wäre, könnte ich mir das sparen«, antwortete Christine.
Der Boy, Jimmy Duckworth, ein untersetzter Mann mit beginnender Glatze und einem verheirateten Sohn, der in der Buchhaltung des St. Gregory arbeitete, machte nur verächtlich: »Ach der!« Gleich darauf hielt der Lift.
»Es ist Nummer 1439, Jimmy«, sagte Christine, und ganz automatisch schwenkten beide nach rechts. Sie waren beide mit der Geographie des Hotels vertraut, wenn auch auf sehr verschiedene Weise; der Boy hatte sich diese Sicherheit erworben, indem er jahraus, jahrein Gäste aus der Halle in ihre Zimmer führte, Christines Ortskenntnis beruhte auf einer Serie geistiger Bilder, die sich ihr beim Studium des Hotelplans mit seinen einzelnen Stockwerken eingeprägt hatten.
Falls jemand vor fünf Jahren auf der Universität von Wisconsin die Frage gestellt hätte, womit sich die zwanzigjährige Chris Francis, eine begabte Studentin mit einem Flair für moderne Sprachen, später wohl beschäftigen würde, dann wäre selbst die ausschweifendste Phantasie nicht darauf verfallen, daß sie als Direktionsassistentin in einem Hotel von New Orleans landen könnte. Zu jener Zeit kannte sie die mondsichelförmige Stadt kaum und interessierte sich denkbar wenig für sie. Sie hatte in der Schule im Geschichtsunterricht die Erwerbung von Louisiana durchgenommen und sich »Endstation Sehnsucht« angesehen. Aber sogar das Theaterstück war überholt, als sie nach New Orleans kam. Die Straßenbahn hatte einem Dieselbus Platz gemacht, und Sehnsucht war ein unbedeutender Vorort im Osten der Stadt, den Touristen selten aufsuchten.
Vermutlich war es in gewisser Weise gerade die völlig fremde Umgebung, die sie nach New Orleans zog. Nach der Katastrophe in Wisconsin hatte sie dumpf und fast planlos nach einem Fleck Ausschau gehalten, wo man sie nicht kannte und der auch für sie neu war. Vertraute Dinge, ihre Berührung, ihr Anblick, ihr Klang verursachten ihr ein Herzweh, das sie ganz durchdrang, ihre Tage erfüllte und sie sogar bis in den Schlaf verfolgte. Seltsamerweise – und damals schämte sie sich dessen beinahe – litt sie nie unter Alpträumen; sie sah nur immer wieder die Geschehnisse vor sich, so wie sie sich an jenem denkwürdigen Tag auf dem Madison-Flughafen vor ihren Augen abgespielt hatten. Sie hatte ihre Familie, die einen Europatrip plante, dorthin begleitet; ihre
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