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House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
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Stahlnadel in eine jungfräuliche Radialarterie zu schieben. Meine Ambulanzpatienten schienen mich argwöhnisch zu beobachten, und der eine oder andere fragte auch, ob es mir gut ginge. Ich antwortete ihnen, daß ich mich außerordentlich wohl fühle. Besonders hartnäckig war meine baseballspielende Zeugin Jehovas.
    »Dr. Basch, mit das Stetelskop ham Sie Monate nich an mir rumgemach. Wir ham einfach nur geredet. Ich weiß das genau, hier drin, da stimmt was nich, was is mit Sie?«
    Ich sagte ihr, es sei alles in Ordnung und beendete die Untersuchung. Kopfschüttelnd ging sie hinaus.
    Auf dem Weg durch den frischen Aprilnachmittag zum Humbler murmelte ich vor mich hin: Diese ganze Ausbildung, nur um Rezepte für gepolsterte BHs zu schreiben? Wofür zum Teufel arbeite ich, für Damenunterwäsche?
    Die fröhlich bunten Marathonläufer kamen vorüber. Die ersten, die Anführer, sahen noch nach zwanzig Meilen, und selbst angesichts des furchtbaren Humblers fit und motiviert aus. Sie hatten Figuren wie Pinkus: dünn bis zur Taille, stabil darunter. Sie rannten durch Wellen von Applaus. Oh, war ich neidisch! Der farbige Zug nahm kein Ende, und nachdem ungefähr fünfhundert Läufer vorbei waren, kam Pinkus in entschlossenem, sicheren Stil, der ihn vielleicht sogar unter drei Stunden bringen konnte. Ich rief:
    »Los, Pinkus, zeig’s ihnen!«
    Er sah auf, ohne zu winken oder zu lächeln und trabte mit ruhigen, bewußten Schritten den Humbler hinauf. Er sah gut aus. Es ging ihm außerordentlich gut, und ich sah ihm sehnsüchtig nach, wie das DU MUSST POWER IM HERZEN HABEN auf seinem Hintern über den Hügel verschwand. Pinkus, mein Held, war nicht einmal aus dem Tritt gekommen. Der Humbler? Ha!
    Später am Abend in der Sporthalle der
High-School,
wo ich ein paar Körbe geworfen hatte, begegnete ich der Stationsschwester, deren Namen ich immer vergaß und der mir auch jetzt nicht einfiel. In einem engen, schwarzen Trikot trainierte sie mit Gewichten. Ich war überrascht und erfreut über ihren Körper und das Interesse, das sie diesem Körper entgegenbrachte. Schweißtriefend schwatzten wir ein bißchen. Ich lud sie zu einem Drink ein. In der Bar sahen wir Nixon im Fernsehen, der zur besten Sendezeit mit einer Fernsehansprache aus dem
Oval Office
vorgeprescht war, obwohl Haig meinte, Nixon würde »sich übers Fernsehen nicht mehr verkaufen«. Irgend etwas über »redigierte Abschriften der Tonbandaufnahmen«. Die Aufmachung war großartig! Auf einem Tischchen, auf das die Kamera immer wieder hielt, lagen glänzende schwarze Vinylordner, jeder mit dem goldenen Präsidentensiegel geprägt.
    »Ich setze meine Hoffnung auf die grundsätzliche Fairneß der Amerikaner.«
    Das Gesicht an den verschwitzten Hals der Schwester geschmiegt, sagte ich:
    »Verdammt gute Idee. Es ist Zeit. Bring die verdammte Sache endlich in Ordnung, ein für alle Mal.«
    Der Geruch nach Umkleideraum, den diese hartgesottene Schwester verströmte, war für mich erregender als Parfüm. Er machte mich unheimlich an.
    Nach dem Drink, vorm Insbettgehen, gingen wir in ein Sportgeschäft, das die ganze Nacht über geöffnet hatte, und ich kaufte mir meine erste Angelrute.

22
    Nachdem ich mich auf der Intensivstation so außerordentlich wohl gefühlt hatte, fiel es mir schwer, Abschied zu nehmen. Ich war traurig. Ich wollte noch bleiben. Wie verabschieden sich Astronauten? Wie es sich für einen Profi gehört, war mein Abschied unemotional. Neal Armstrong nimmt Abschied von Frank Borman. John Ehrlichman nimmt Abschied von Robert »Bob« Haldeman. Abschied von Pinkus, meinem Helden, der zwei Stunden siebenundfünfzig Minuten und vierunddreißig Sekunden gelaufen war, und der sagte:
    »Kardiologie kann in finanzieller wie in persönlicher Hinsicht ziemlich lohnend sein und mit zusätzlichen Hobbys ein sehr gesundes Leben bieten. Denken Sie darüber nach, Roy, Sie sind ein junger Mann mit einer glänzenden Zukunft.«
    Ich ging.
    Später am Nachmittag fuhren Berry und ich, BK , aufs Land, um auszuspannen. Ich las einen Brief von meinem Vater.
    … Deine Erfahrung ist zweifellos anregend, und ich bin sicher, Du bist vollkommen davon in Anspruch genommen. Bald wird es vorbei sein, und Du wirst über Dein zukünftiges Leben entscheiden müssen …
    »Weißt du«, sagte ich zu Berry, »nach all den Jahren, in denen ich anderer Meinung war als er, glaube ich schließlich, daß er recht hat.«
    Wir saßen am Rand eines Parks, der Frühling sproß chaotisch überall

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