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House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
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kommen mit uns?« fragte ich überrascht.
    »Wir sind Bewunderer echter Genies«, sagte Gilheeny, »und das Genie von Marcel Marceau ist echt. Ein Jude mit Wurzeln in der französisch-katholischen Glaubensgemeinschaft, der die besten Eigenschaften von beiden in sich vereint.«
    »Wie zum Teufel haben Sie so schnell noch Karten bekommen?«
    »Bestechung«, sagte Quick schlicht.
    Berry und ich saßen wie in einem Sandwich eng zwischen dem massigen Gilheeny und dem sehnigen Quick eingezwängt. Ich saß in der Falle und schickte mich drein, bis zur Pause dableiben zu müssen. Die Lichter gingen aus und die Pantomime begann. Anfangs war ich gleichgültig, meine Gedanken waren auf der Station, und doch, als Marcel mit seinen Bewegungen fortfuhr, Berry mir die Hand drückte, die Polizisten mit der Begeisterung von Kindern reagierten, konnte ich mich nicht entziehen. Die erste Pantomime war
Der Luftballonverkäufer.
Er schenkt einem Kind einen Ballon, es klatscht in die Hände, und der Ballon fliegt hoch und immer höher und verschwindet. Alle um mich herum lachten. Zu meiner Linken hörte ich ein Glucksen, das zu einem Gebrüll anwuchs. Dem Fett- und Schweißgeruch der Uniform nach wußte ich, daß es Gilheeny war. Ein kräftiger Ellenbogen rammte sich mir in die Rippen, und der Rotschopf wandte sich zu mir, strahlte sein riesiges Nilpferdgrinsen, lachte und überflutete mich mit dem Geruch von Hackfleisch und Zwiebeln. Ich lachte. Die nächste Pantomime hatte ich Marcel schon einmal in England vorführen sehen: In dreißig Sekunden durchlief er nacheinander Jugend, Reife, Alter und Tod. Ich saß da, still wie die anderen, berührt, verzaubert von der Vorstellung, wie unser Leben in Sekunden an uns vorüberzog. Donnernder Beifall hallte durch das Theater. Ich sah Quick an. Er hatte Tränen in den Augen.
    Ganz plötzlich hatte ich das Gefühl, als wäre ein Hörgerät für alle meine Sinne eingeschaltet worden. Gefühle überfluteten mich. Ich brüllte. Und mit diesem Gefühlsausbruch kam ein Sturz, ein unaufhaltbarer, reißender Sturz einen schroffen Abgrund hinunter, hinab in die Verzweiflung. Was zum Teufel war mit mir passiert? Etwas in mir war gestorben. Trauer wallte in mir auf und brannte sich durch meine Augenhöhlen hinaus. Ein Taschentuch wurde mir in die Hand gedrückt. Ich putzte mir die Nase und spürte, daß jemand mich umarmte.
    Die letzte Pantomime machte mich endgültig fertig:
Der Maskenträger
wechselte blitzschnell zwischen einer lächelnden und einer weinenden Maske, schneller und schneller, bis schließlich die lächelnde Maske auf seinem Gesicht festsaß und er sie nicht mehr abnehmen konnte. Der Kampf des Menschen, sein heftiges Bemühen, eine erstickende Maske loszuwerden; gefangen, sich windend, mit einem Lächeln auf dem Gesicht.
    Das Theater explodierte förmlich. Zehn Zugaben, zwölf.
    »Bravo! Bravo!« schrien wir und strömten zusammen mit der beschwingten Menge ins Freie. Ich blinzelte verwirrt. In mir war Chaos. Meine Ruhe war die Ruhe des Todes gewesen. Mehr als alles andere wünschte ich mir, Pinkus in seinen dicken, rosafarbenen
soleus
zu treten. Ich dankte Gott für Berry, für meine orthodoxen Samariter, meine Polizisten. Als wir uns von ihnen verabschiedeten, sagte Gilheeny gerührt:
    »Gute Nacht, Freund Roy. Wir fürchteten schon, wir hätten Sie verloren.«
    »Wir haben das schon bei anderen
Interns
beobachtet«, sagte Quick, »und wenn es Ihnen passiert wäre, wäre das ein ganz besonderer Verlust gewesen. Gott segne Sie.«
    Später hieß mich Berry wieder willkommen, und ich spürte ihre liebenden Arme um mich, als wäre es das erste Mal. Ich erwachte, begann zu schmelzen. Ich spürte ein Prickeln, dann einen Schwall von Gefühlen, die mich erschreckten und überwältigten. Aufgewühlt fing ich an zu reden. Weiter und immer weiter in die Nacht hinein sprach ich über all die Dinge, die ich in mir ausradiert hatte. Das Thema war immer und immer wieder der Tod, und die Wände meines Schlafzimmers überzogen sich mit fleckiger grau-weiß marmorierter Haut. Ich sprach über das Grauen der Sterbenden und das Grauen der Toten. Ich berichtete voller Schuldgefühle, wie ich Saul das KCL injiziert hatte. Sie konnte ihre Erschütterung nicht verbergen. Wie hatte ich das tun können? Selbst wenn mein Kopf mir sagte: »Ja, es war besser so«, schrie mein Herz: Nein! Ich hatte es nicht für ihn getan, aus Menschlichkeit, nein. Zornig hatte ich es getan, damit er still war und um es ihnen

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