House of God
Pinkus nicht, das ist eine Verteidigungsmaßnahme. Du bist hypomanisch, identifizierst dich mit dem Aggressor, idolisierst Pinkus, um dich selbst davor zu bewahren, kaputtzugehen. Das mag ja im
House
funktionieren, aber nicht mit mir. Für mich bist du im Moment ein toter Mann. Kein Fünkchen Leben.«
»Oh, ich weiß nicht, Berry. Ich fühle mich gesund und lebendig.« Ich dachte an Hal, den Computer in
2001
und sagte: »Alles läuft außerordentlich gut.«
»Wie lange dauert dieser IIS -Turnus noch?«
»Zehn Tage«, sagte ich und streichelte ihr Haar und dachte friedlich an unsere uranfängliche Beschäftigung, an Sex. Sie entzog sich jedoch und ich fragte, warum.
»Ich kann nicht mit dir schlafen, solange diese große Distanz zwischen uns besteht.«
»Du meinst, du kannst den Gedanken an eine andere Frau nicht ertragen? Das ist doch alles vor …«
»Nein! Ich kann
dich
nicht ertragen! Ich habe es satt, ständig zu versuchen, zu dir durchzukommen. Ich muß anfangen, auch mal an mich zu denken. Ich werde dir Zeit lassen. Beende diesen Turnus, und wir werden sehen, ob du da wieder raus kommst. Wenn nicht, ist Schluß. Nach dieser ganzen Zeit ist es dann aus mit uns. Mit deinen Worten, es ist BK , Roy, BK .«
Wie von sehr weit her hörte ich mich sagen:
»Besser BK als Angst, Berry. Besser das als Typ A.«
»Verdammt, Roy!« schrie sie unter Tränen. »Du bist ein Idiot! Merkst du gar nicht, was mit dir passiert? Antworte mir!«
»Im Augenblick«, sagte ich und versuchte, dem Durcheinander von Gefühlen und Spannung gegenüber ruhig zu bleiben, »ist das alles, was ich dazu sagen kann.«
Berry stieß ein zischendes Geräusch aus, wie ein Zug, der in einen Bahnhof einfährt, und sagte:
»Du bist kein Idiot, Roy, du bist eine Maschine.«
»Eine Maschine?«
»Eine Maschine.«
»Na und?«
21
Sie hatte Unrecht. Ich war keine Maschine. Ich war nicht tot. Ich war lebendig. Es ging mir außerordentlich gut. Mein Leben war ausgefüllt. Das PLONKA , PLONKA meiner Füße auf dem Fahrradweg am Flußufer half, diesen beruhigenden Gedanken in mir festzuklopfen. Mein Kopf war klar wie ein glattes Koronararterienlumen, wie eine schlanke Frau in einem einteiligen Badeanzug, naß an einem tropischen Meer.
Diese Nacht war mein Meisterstück. Eine Schwester und ich sollten einen unglaublich schwierigen und komplizierten medizinischen Eingriff vornehmen. Eine junge Mutter von zwei Kindern schleppte sich seit Monaten auf den Tod zu. Jetzt, mit einer Lebererkrankung im Endstadium war sie endlich soweit, daß sie an einer massiven Infektion und an Herz-, Leber-, Nieren-, Gehirn- und Lungenversagen im Sterben lag. Sie war auf die Intensivstation gebracht worden, und wir sollten die infizierte Peritonealflüssigkeit aus ihrem Bauch abziehen und das fehlende Volumen in ihrem Kreislauf ersetzen. Da jedoch die Flüssigkeit, die wir ihrem Kreislauf zuführten, sich wegen des niedrigen Serumproteins schon bald wieder in ihrem Bauch sammeln würde, hatte diese Prozedur, wenn sie überhaupt glückte, keine Konsequenzen. Na, und? Schon lange hatte ich die Vorstellung aufgegeben, daß das, was ich mit diesen Körpern machte, irgend etwas dazu beitrug, daß es ihnen besser ging. Ich würde meine Sache gut machen. Was kümmerte es mich, daß ich es war, der das Versagen der ärztlichen Versorgung im
House of God
sühnen mußte?
Ich legte überall große Zugänge, verband alles mit Monitoren, und die Schwester und ich warfen uns in Schale für den Flug ins All. Das würde meine Mondlandung werden, meine Techno-Lisa, meine Granate. Über dem orangefarbenen Leib der jungen Mutter von zwei Kindern arbeiteten wir in erotischer Harmonie der Bewegungen, entnahmen Flüssigkeit, führten Flüssigkeit zurück, beobachteten Zahlen, gaben Zahlen ein, vom schaurigen Licht der Station umflutet. Wir summten die von der Berieselungsanlage aufgetischten Melodien mit und verscheuchten Bewunderer, Ärzte und Schwestern, die kamen, um uns zuzusehen. Die Zeit stand still. Der Ehemann, der die Behandlung erlitten und den Tod erlebt hatte, den die übereifrigen Ärzte des
House
seiner Frau verwehrt hatten, bat uns, endlich aufzuhören, nichts mehr zu unternehmen. Obwohl ich wußte, daß diese letzte Verlängerung des Lebens sinnlos war und nur aus kollektiver Ohnmacht und Schuld heraus versucht wurde, überzeugte ich den Mann, uns fortfahren zu lassen und versicherte ihm – fälschlich? – daß das Leiden seiner Frau nicht verlängert würde. Zu zornig
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