House of God
Grün und stinkend! Was war los?«
»Sie haben mich geschafft.«
»Geschafft?«
»Ja. Umgebracht.«
»Wer?«
»Die Gomers. Aber der Dicke sagt, sie tun jedem weh, und das sei moderne Medizin. Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Er sagt, ich soll meine Illusionen wegwerfen, und die Welt würde sich einen Pfad zu mir bahnen.«
»Das klingt seltsam.«
»Habe ich auch gesagt, aber jetzt bin ich nicht mehr so sicher.«
»Ich könnte dich aufmuntern«, sagte Berry.
»Deck’ mich einfach zu.«
»Was?«
»Bring mich ins Bett und deck’ mich einfach zu.«
»Aber du hast heute Geburtstag. Wir wollten essen gehen, erinnerst du dich?«
»Ich habe es vergessen.«
»Deinen eigenen Geburtstag hast du vergessen?«
»Jap. Ich bin grün und stinke, deck’ mich einfach nur zu.«
Sie brachte mich ins Bett, so grün und stinkig wie ich war, und sagte, sie liebe mich auch so, und ich sagte, ich liebe sie, aber das stimmte nicht, denn sie hatten etwas in mir zerbrochen, und das war etwas Lebendiges gewesen, das mit Liebe zu tun hat, und ich war eingeschlafen, bevor sie die Tür geschlossen hatte.
Das Telephon klingelte und aus dem Hörer tönte ein zweistimmiges:
»Happy birthday to you, happy birthday to you, happy birthday dear Roy-oiy, happy birthday to you.«
Mein Geburtstag, vergessen, daran erinnert und wieder vergessen. Meine Eltern. Mein Vater sagte:
»Hoffe, du bist nicht zu müde, und es muß aufregend sein, endlich deine eigenen Patienten zu haben.«
Ich wußte, daß er die moderne Medizin für die größte Erfindung seit dem Hochgeschwindigkeitsbohrer hielt, und als ich auflegte, dachte ich an Dr. Sanders, der sterben würde, und an die Gomers, die nicht sterben würden, und ich versuchte herauszufinden, was Illusion war und was nicht. Ich hatte erwartet, daß ich dorthincinrauschen und Menschen im letzten Moment retten würde, genau wie in dem Buch
Wie rette ich die Welt, ohne mir den Kittel schmutzig zu machen
beschrieben wurde, und nun hatte ich erlebt, wie ein gebrochener Südstaatler von einem Gomer mit einem widderhorngeschmückten Footballhelm verprügelt wurde, und die ganze Zeit erzählte ein dicker Zauberer, der ein großartiger Arzt war, aber auch etwas Unwirkliches, entweder ein Verrückter oder ein Genie, daß der Kern der ärztlichen Versorgung darin bestünde, nichts zu tun außer abzuschieben und zu frisieren. Letzte Nacht in den leeren Gängen und am Tag in den vollen Fahrstühlen hatte ich das Gefühl von Macht empfunden, aber auch das furchtbare Gefühl der Machtlosigkeit angesichts der Gomers und der hilflos unheilbaren Jüngeren. Sicher, es gab die sauberen weißen Hosen und Putzels sauberen weißen Continental, aber diese weißen Hosen waren von Erbrochenem und Blut und Pisse und Kot beschmutzt worden, in den schmutzigen Laken der Dienstzimmer brütete Ungeziefer, das einem in den Finger und ins Auge biß, und Putzel war ein Blödmann. In einigen Monaten würde Dr. Sanders tot sein. Wenn ich wüßte, daß ich in einem Monat sterben müßte, würde ich dann meine Zeit so verbringen? Niemals. Mein sterblicher, gesunder Körper, mein lächerliches, krankes Leben. Darauf warten, daß der Baseball zischend auf mich zufliegt, auf das Aneurysma in meinem Hirnstamm, das mit aller Macht versucht, aufzuplatzen und mein Blut über meine Hirnrinde zu spritzen, bis es vorbei ist. Und es gab keinen Weg mehr zurück. Ich war ein
Intern
auf der stinkenden Galeere im Haus der blutigen Anfänger, im
House of God.
6
Nach drei Wochen wurde der Dicke aus dem
House of God
abgeschoben, um turnusgemäß in einem der umliegenden Gemeindekrankenhäuser, die er alle »St. Irgendwo« genannt hatte, Dienst zu tun. Obwohl er noch jede dritte Nacht der diensthabende
Resident
neben mir war, segelte in seinem fetten Kielwasser der neue
Resident
der Station heran, jene Frau namens Jo, deren Paps kürzlich von einer Brücke in den Tod gesprungen war. Wie so viele Ärzte in der Inneren, war Jo ein Opfer des Erfolgs. Sie war klein und drahtig, flach und robust, hatte als junges Mädchen alle Versuche ihrer Mutter abgewiesen, sie als Debütantin in die feine Gesellschaft einzuführen, und sich statt dessen auf die Biologie konzentriert. Sie sezierte die Männchen lieber, als daß sie mit ihnen tanzte. Ihren Zwillingsbruder ließ sie im Regen stehen, weil sie den Sprung nach Radcliffe schaffte, während er als Posaunist im Spielmannszug zu irgendeinem versoffenen Football-
College
im Mittelwesten zog. Auf
Weitere Kostenlose Bücher