Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
Vom Netzwerk:
beigebracht?«
    »Der Dicke.«
    »Unfug«, sagte Jo. »Diese Frau leidet an schwerer seniler Demenz. Sie ist weder bezüglich Ort, Zeit noch Person orientiert, alles, was sie sagt ist Ruuuuudl, sie ist inkontinent und verwirrt. Es gibt mehrere behandelbare Ursachen für Demenz, eine davon ist der operable Hirntumor. Wir müssen das ganz genau untersuchen. Lassen Sie mich Folgendes dazu sagen …«
    Jo hielt einen Vortrag über die behandelbaren Ursachen von Demenz, gespickt mit obskuren neuroanatomischen Verweisen. Ich mußte an eine Geschichte denken, die ich über sie gehört hatte, von einer Anatomieprüfung in der BMS . Die Prüfung war sehr schwer gewesen, die durchschnittlich erreichte Punktzahl lag bei zweiundvierzig, aber Jo hatte neunundneunzig Punkte. Die einzige Frage, die sie nicht beantworten konnte, war: »Identifizieren Sie den Polgi Kreisel«. Das war eine Fangfrage gewesen, denn der Polgi Kreisel war die Verkehrsinsel direkt vor der Tür des BMS Wohnheims.
    Jos Vorlesung über Anna war knapp, komplett und kohärent. Am Ende sah sie aus, als hätte sie gerade einen äußerst befriedigenden Stuhlgang hinter sich.
    »Fangen Sie mit den Untersuchungen an«, sagte Jo zu mir, »wir werden allem ganz genau nachgehen. Komplett. Niemand soll uns nachsagen können, daß wir schlampige Arbeit leisten.«
    »Aber der Dicke sagt, Anna O. ist immer so, und bei einem fünfundneunzig Jahre alten Gehirn sei Demenz normal.«
    »Demenz ist nie normal,« sagte Jo, »niemals.«
    »Vielleicht nicht«, sagte ich, »aber der Dicke sagt, die beste Art, sie zu behandeln, sei, nichts zu tun, außer Himmel und Hölle in Bewegung zu setzen, um ein Bett im Pflegeheim für sie zu kriegen.«
    »Ich tue niemals
nichts.
Ich bin Ärztin, ich leiste ärztliche Hilfe.«
    »Der Dicke sagt, die beste ärztliche Behandlung für Gomers sei gar keine Behandlung. Wenn man etwas tut, sagt er, macht man alles nur noch schlimmer. Wie Potts, als er Ina Goober hydriert hat. Sie hat sich davon nicht wieder erholt.«
    »Und Sie glauben ihm?« fragte Jo.
    »Nun, bei Anna scheint seine Behandlungsweise anzuschlagen«, sagte ich.
    »Hören Sie mal zu, Sie Schlaukopf«, sagte Jo überrascht und irritiert. »Erstens: Der Dicke hat nicht alle Tassen im Schrank. Zweitens: Wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie irgend jemanden anderen im
House.
Drittens: Genau deshalb will man nicht, daß er mit den neuen
Interns
anfängt. Viertens: Ich bin hier der Kapitän, und ich leiste ärztliche Hilfe, was, zu eurer Information, nicht bedeutet,
nichts
zu tun, sondern etwas zu tun. Und zwar, alles zu tun, was wir können.«
    »Aber der Dicke sagt, das sei das Schlimmste …«
    »Schluß! Ich will das nicht hören. Machen Sie die Diagnostik für die behandelbaren Ursachen von Demenz: LP , Hirnszintigrafie, Blutuntersuchungen, Schädel-Röntgen. Machen Sie das alles, und wenn alles negativ ist, dann können wir über Verlegung reden. Lächerlich. In Ordnung, Jungs, gehen wir weiter. Der Nächste?«
    Wir segelten vorbei an Rokitansky, Sophie, Ina, der Jo den Footballhelm abnahm, dem kranken Dr. Sanders und all den anderen. Fast alle hatten plötzlich irgendwelche bis jetzt unentdeckten Herzleiden, Jos Spezialität. Wir landeten schließlich direkt vor der Tür des Gelben, an der Grenze zu den Hoheitsgewässern von Station 6 -Nord. Obwohl er nicht unser Patient war, mußte Jo ihn sich unbedingt ansehen. Als sie wieder herauskam, wandte sie sich an Potts und sagte: »Ich habe von diesem Fall gehört. Fulminante Hepatitis. Tödlich, außer man packt es früh an und gibt Steroide. Lassen Sie mich Folgendes dazu sagen …«
    Sie legte los mit einem Vortrag über die Krankheit, blind für die Qual auf Potts Gesicht. Am Ende sagte sie, sie würde Literaturangaben für uns kopieren und ging dann los, um dem Fisch und dem Leggo Bericht über unsere Visite zu erstatten. Irgendwie hatte sie es geschafft, uns die Luft rauszulassen. Etwas von ihr blieb zurück, etwas Straffes und Schweres und Graues, ein Magenumdrehen beim Sprung von der Brücke hinunter ins Wasser.
    »Also, die is schon was andres als Dickie«, sagte Chuck.
    »Ich vermisse ihn jetzt schon«, sagte ich.
    »Sieht aus, als wüßten alle über den Gelben Bescheid«, sagte Potts.
    »Meinst du, ich soll die ganzen Demenz-Untersuchungen an Anna O. durchziehen?«
    »Sieht nich aus, als hätts du ’ne Wahl, Mann.«
    »Der Dicke hat sich nie geirrt, nicht einmal,« sagte ich.
    »Ich glaube, es gibt in der ganzen Welt

Weitere Kostenlose Bücher