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House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
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die Dinge irgendwie zu schmelzen, undeutlich zu werden und zu verschwimmen, und gegen Mittag war ich so benebelt, daß Chuck und Potts mich durch den Gang der Cafeteria zum Tisch führen mußten. Das einzige, was ich mir aufs Tablett gestellt hatte, war ein großes Glas Eiskaffee. Ich war so ataktisch, daß ich mir bei dem Versuch, mich hinzusetzen, das Schienbein am Tisch stieß und den eisigen Kaffee über meine weiße Hose goß. Kalt sickerte es durch meinen Schritt. Ich war irgendwo anders, weit weg.
    An diesem Nachmittag hielt der Leggo mit unserem Team die Visite ab. Er kam in seinem üblichen weißen Metzgerkittel, das Stethoskop wand sich seinen Weg über die Brust hinunter in seine Hosen, und er pfiff:
    »Daisy, Daisy, give me your answer troooo.«
    Als er einen Patienten untersuchte, verspürte ich den Drang, Levy gegen den Leggo zu schubsen, damit beide zu dem Gomer ins Bett fielen, der um jeden Preis gerettet werden sollte. Ich glaubte, daß »Leggo« irgend etwas Kryptographisches für
Let my g omers go
war, und ich sah den Leggo die Gomers aus dem friedvollen Land des Todes herausführen, hinein in ein verlängertes, erbärmliches, leidvolles Leben, den Sinai hinuntersteigen, ungesäuertes Brot verschlingen und
Daisy, Daisy, give me your answer trooo
singen.
    Chaos. Der Nebel verdichtete sich. Ich glaubte nicht, daß ich diesen Tag durchhalten würde. Die Schwester kam zu mir und sagte, meine italienische Patientin mit dem Spitznamen Boom Boom, die kein Herzleiden hatte, klage über Brustschmerzen. Ich betrat das Krankenzimmer, wo die achtköpfige Familie auf italienisch herumschwatzte. Ich machte ein EKG , das normal ausfiel, und beschloß dann vor einem Publikum von acht Personen Dickie’s Technik vom umgekehrten Stethoskop vorzuführen. Ich stöpselte es bei Boom Boom ein und rief ins Megaphon:
    »Cochlea, bitte kommen! Cochlea, kommen! Hörst du mich, Cochlea …«
    Boom Boom öffnete die Augen, kreischte, bäumte sich auf, preßte ihre Faust an die Brust, das klassische Zeichen von Herzschmerzen, hörte auf zu atmen und lief blau an. Mir wurde klar, daß ich und acht Italiener gerade einen Herzstillstand miterlebten. Ich schlug Boom Boom auf die Brust, was einen neuen Schrei hervorrief, der immerhin Leben bedeutete. Der Familie versuchte ich vorzumachen, dies sei reine Routine, scheuchte sie hinaus und wählte den Alarmcode. Aus irgendeinem Grund war die Hauswirtschaft mit einem Strauß Lilien zuerst zur Stelle. Dann kam ein pakistanischer Anästhesiologe. Mit dem Chor der italienischen Delegation im Hintergrund kam ich mir vor wie bei den Vereinten Nationen. Noch andere erschienen, aber Boom Boom ging es schon wieder besser. Dickie sah sich das EKG an und sagte:
    »Roy, dies ist der größte Tag im Leben dieser Frau, denn sie hat endlich einen bona fide Herzanfall gehabt.«
    Ich versuchte den
Resident
von der Intensivstation davon zu überzeugen, sie von meiner Station zu übernehmen. Aber mit einem Blick auf sie und mit den Worten: »Das meinen Sie doch wohl nicht ernst?« verhinderte er die Abschiebung.
    Verlegen versuchte ich, der Familie aus dem Weg zu gehen, und schlich den Korridor hinunter. Der Dicke verkündete Regel Nr.  8 : Sie können dich immer noch mehr quälen.
    Ich beendete meine Arbeit für diesen Tag und suchte völlig benebelt nach Potts, um ihm meine Patienten zu übergeben. Dabei fragte ich ihn, wie es ihm ginge.
    »Schlecht. Ina ist völlig von der Rolle, sie klaut Schuhe und pinkelt rein. Ich hätte ihr das Valium nicht geben sollen. Ein Versuch, ihre Gewalttätigkeit zu zügeln. Das hat beim Kleinen funktioniert, darum dachte ich, versuch es auch mal bei ihr. Hat es nur verschlimmert.«
    Während ich mit dem Dicken den Flur zum Fahrstuhl hinunterging, sagte ich:
    »Wissen Sie, ich glaube, diese Gomers versuchen, mir richtig wehzutun.«
    »Gewiß tun sie das. Sie versuchen, jedem wehzutun.«
    »Was macht das für einen Sinn? Ich habe keinem von ihnen etwas getan, aber sie versuchen, mir eins reinzuwürgen.«
    »Genau, und das ist moderne Medizin.«
    »Sie sind verrückt.«
    »Man muß verrückt sein, um das hier zu machen.«
    »Aber, wenn das so bleibt, halte ich es nicht aus. Niemals.«
    »Doch, das werden Sie, Roy. Werfen Sie Ihre Illusionen weg, und die Welt wird sich einen Pfad zu Ihnen bahnen.«
    Und weg war er. Ich wartete auf Berry, die mich vom
House
abholen wollte. Als sie mich sah, verzog sich ihr Gesicht unwillig.
    »Roy, du bist ja ganz grün! Pfui! Du stinkst!

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