House of God
dem
College
lief sie zu akademischer Höchstform auf und schwang sich in fast noch pubertärem Alter in die BMS . Ihr kometenhafter Aufstieg verzögerte sich nur kurz durch die typisch amerikanische Menopausen-Psychose ihrer Mutter, in deren Folge ihr Paps zu einer glibbernden, geleeartigen Masse reduziert wurde. Der Zerfall ihrer Familie spornte ihren Ehrgeiz in der Medizin noch weiter an, als glaubte sie, den psychologischen Krebs in ihrer Familie erkennen zu können, indem sie lernte, wie man eine perfekte Endoskopie macht. So war Jo ins
House of God
gekommen und der umtriebigste aller
Residents
geworden, stets auf der Suche nach Konkurrenz.
Schon als Jo zum ersten Mal vor uns stand, breitbeinig, die Hände in den Hüften wie der Kapitän eines Schiffes, und »Willkommen an Bord« sagte, wurde deutlich, daß sie ganz anders war als der Dicke, daß sie zur Bedrohung für alles werden würde, was er uns beigebracht hatte. Sie war eine kleine, stramme Frau mit kurzem, schwarzen Haar, vorspringendem Kinn und dunklen Ringen unter den Augen und trug einen weißen Rock und eine weiße Jacke. In einem besonderen Halfter an ihrem Gürtel steckte ein ca. 5 cm dickes, schwarzes Notizbuch mit ihren eigenen Exzerpten aus dem Dreitausend-Seiten-Wälzer
Grundlagen der Inneren Medizin.
Was sie nicht im Kopf hatte, hing an ihrer Hüfte. Sie sprach seltsam monoton, mit einem völligen Mangel an Gefühl. Sobald es bei irgendeiner Sache nicht um Fakten ging, konnte sie nichts damit anfangen. Humor verstand sie nicht.
»Tut mir leid, daß ich nicht zu der Zeit hier sein konnte, für die ich eingeteilt war«, sagte sie an jenem ersten Tag zu Chuck, Potts, den BMS und mir. »Ich hatte persönliche Gründe für meine Abwesenheit.«
»Ja, wir haben davon gehört«, sagte Potts. »Wie geht es Ihnen jetzt?«
»Alles in Ordnung. So etwas kann vorkommen. Ich hab das jetzt im Griff. Ich bin froh, daß ich wieder bei der Arbeit bin und nicht mehr daran denken muß. Es ist mir bekannt, daß in den ersten drei Wochen der Dicke hier war, und Sie sollen gleich wissen, daß ich einen anderen Stil habe. Erledigen Sie die Arbeit auf meine Weise, und wir werden gut miteinander auskommen. Bei meiner Art, eine Station zu führen, gibt es keine Schlamperei. Keine unerledigten Sachen. OK , Jungs, machen wir Visite. Bringen Sie mir den Aktenwagen, ja?«
Beglückt sprang Levy, der Verlorene, auf, um den Aktenwagen zu holen.
»Mit Dickie haben wir hier gesessen und Visite gemacht«, sagte ich, »das war effektiv und gemütlich.«
»Und schlampig. Ich sehe mir jeden Patienten jeden Tag an. Es gibt keine Entschuldigung dafür, nicht jeden Tag jeden Patienten zu sehen. Sie werden bald erkennen, daß Sie in der Medizin eine um so bessere Versorgung leisten, je mehr Sie tun. Ich tue immer soviel wie nur möglich. Es dauert ein wenig länger, aber es lohnt sich. Oh,
à propos,
das bedeutet, die Visite wird früher anfangen, sechs Uhr dreißig. Klar? Gut. Ich führe ein straffes Regiment. Keine Schlaffheiten. Mein Spezialgebiet ist Kardiologie. Für das nächste Jahr habe ich ein NIH
Fellowship
bekommen. Wir werden also viele Herzen abhorchen. Wenn Sie Klagen haben, möchte ich sie bitte hören. Offen heraus. Klar? OK , Jungs, gehen wir.«
Es kam überhaupt nicht in Frage, daß Chuck und ich eine Stunde früher als bisher zur Visite erschienen. Wir folgten Jo, die mit jenem Fanatismus aus dem Raum marschierte, den man nur bei Leuten beobachtet, die ständig Höchstleistungen bringen und dabei mit der Furcht leben, irgendein dahergelaufener Stümper könnte in einem brillanten Augenblick mehr leisten als sie.
Während wir den Aktenwagen durch die Zimmer der fünfundfünfzig Patienten der Station schoben, Jo jeden untersuchte und dann aus dem Halfter an ihrer Hüfte eine Vorlesung abfeuerte und jedem von uns aufzählte, was wir alles zu tun vergessen hatten, wurde ich immer besorgter. Wie sollten wir diese Frau überstehen? Sie war gegen alles, was der Dicke uns beigebracht hatte. Sie stampfte uns in Grund und Boden.
Wir kamen in das Zimmer, wo Anna O. lag. Jo sah die Akte durch und untersuchte trotz der Preßlufthämmer im Zockflügel Anna O.‹s Herz. Während sie abhorchte und drückte und klopfte, wurde Anna O. immer unruhiger und schrie:
»Ruudl Ruudl Ruuuuuudl!«
Als sie fertig war, fragte Jo mich, was bei Annas Behandlung das Wichtigste sei. Ich dachte an die Gebote des Dicken und sagte: »Verlegung.«
»Wer hat Ihnen denn das
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