Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
Vom Netzwerk:
mir leid, dir das sagen zu müssen. Ich weiß zwar zu schätzen, was du getan hast, aber die Sache mit dem Gomerbett war ein Witz.«
    »Was?«
    »Ein Scherz. Der Dicke hat sich einen Witz erlaubt.«
    »Oh Gott. Oh mein Gott! Ich glaube, das war ein furchtbarer Fehler. Ich rufe lieber sofort Dr. Kreinberg an.«
    »Kneifer.«
    »Ja?«
    »Ruf lieber zuerst deinen Analytiker an.«
     
    Viele der sterbenden Jungen starben tatsächllich. Jimmy, der mit dem TAKES BALLS TO RIDE A HARLEY -Typ auf der Chirurgischen Intensivstation lag, wurde mit dem üblichen Rattengift behandelt, um das verkrebste Knochenmark auszubrennen, und kahl, infiziert, mit Blutergüssen übersät, verblutete er. Als ich Chuck fragte:
    »He, wieso sterben die in unserem Alter?« sagte er: »Weißnich, aber wir führn doch trotzdem ein tolles Leben, oder?«
    Jeder wußte, daß der Gelbe sterben würde, genauso wie Dr. Sanders.
    Er starb seit langer Zeit. Kahl und infiziert, still und kachektisch brachte er sein Leben in Ordnung. Wir waren Freunde geworden. Er starb mit ruhiger Stärke, als wäre sein Sterben ein Teil seines Lebens. Ich hatte ihn sehr gern und fing an, sein Zimmer zu meiden.
    »Ich verstehe«, sagte er, »der Arzt eines Sterbenden zu sein, ist unsere schwerste Aufgabe.«
    Wir sprachen über Medizin, und ich erzählte ihm voller Bitterkeit von meinen wachsenden Zweifeln daran, überhaupt etwas tun zu können, und er sagte:
    »Nein, wir heilen nicht. Das habe ich auch nie glauben können. Ich habe den gleichen Zynismus durchlebt, die ganze Ausbildung und dann diese Hilflosigkeit. Und doch, trotz aller unserer Zweifel, können wir etwas geben. Nicht Heilung, nein. Wir gewinnen Halt, wenn es uns gelingt, Mitleid zu haben, zu lieben. Und die größte Liebe, die wir geben können, ist, einem Patienten beizustehen, so wie Sie mir beistehen.«
    Ich versuchte, bei ihm zu sitzen. Ich sah zu, wie Molly seine Finger- und Fußnägel schnitt, damit er sich nicht blutig kratzte und infizierte. Ich beobachtete, wie alle darauf bedacht waren, daß um sein Bett herum alles steril war. Ich sah, wie Jo ihn als »Fall« behandelte, und wie sein Onkologe vollkommen objektiv mit ihm über seinen bevorstehenden Tod sprach, und hatte die ganze Zeit nur einen Wunsch, daß er, wenn er starb, schnell und sauber sterben durfte.
    Und dann war sein Tod eine Riesenschweinerei. Mitten in der Nacht wurde ich gerufen. Trotz massiver Transfusionen von Blutplättchen, die das zytotoxische Rattengift in seinem System vernichtet hatte, verblutete er. Er war kaum bei Bewußtsein, als ich zu ihm kam, sein Blutdruck war so gut wie nicht mehr vorhanden, und Tropfen geranienroten Blutes rannen ihm aus der Nase und aus dem Winkel seines geschwollenen Mundes. Ich begriff, daß er aus jeder kleinen geplatzten Kapillare seines Leibes blutete. Er war noch so weit bei Bewußtsein, um sagen zu können:
    »Helfen Sie mir, bitte helfen Sie mir.«
    Ich wußte, daß ich überhaupt nichts tun konnte, um ihm zu helfen, ich konnte nur bei ihm sein, das tun, was er selbst als die einzige Hilfe des Arztes beschrieben hatte. Ich nahm seinen Kopf in meinen Schoß und wischte das Blut ab. Ich sah in seine blicklosen Augen und sagte:
    »Ich bin hier.« Und ich glaube, er registrierte, daß ich bei ihm war.
    »Helfen Sie mir, helfen Sie mir.«
    Das Blut rann aus ihm heraus, und ich wischte es fort und sagte: »Ich bin da«, und weinte. Ganz leise weinte ich, um ihn nicht zu erschrecken.
    »He, Roy, Junge, wie läuft’s denn so?«
    Howard stand in der Tür, füllte sie aus mit seinem Mördergrinsen und dem Rauch seiner Pfeife.
    »Raus hier!« fauchte ich ihn an.
    Er setzte sich auf den Stuhl am anderen Ende des Zimmers, paffte und sagte:
    »Sieht schlecht aus für Dr. Sanders, oder? Mann, das ist echt hart.«
    »Hau ab, zum Teufel. Raus hier!«
    »Du hast doch nichts dagegen, wenn ich zusehe, oder? Nachsorge, du verstehst. Es ist hart in der Notaufnahme, du kriegst nichts mit von der Nachsorge der Patienten, die du aufnimmst. Ich steh auf Nachsorge. Ein Hang zur Abrundung. Was zu Ende bringen. Man lernt ’ne Menge dabei.«
    »Verpiß dich, Howard, bitte.«
    »Helfen Sie mir.«
    Das Blut rann. Mein Schoß war naß davon. Seine Augen waren glasig.
    »Ich bin hier«, sagte ich und drückte ihn an mich.
    »Hast du die Obduktionserlaubnis?« fragte Howard.
    Am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte ihn umgebracht. Aber das ging nicht. Ich wollte Dr. Sanders nicht verlassen, bevor er mich

Weitere Kostenlose Bücher