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House of God

House of God

Titel: House of God Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel Shem
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Zimmer und rief außer Atem:
    »Saul, Sie haben eine Remission!«
    »Klingt nicht gut«, sagte er, »erst Leukämie, jetzt Remission. Oje.«
    »Nein. Remission bedeutet Heilung. Ein Wunder! Sie werden nicht sterben.«
    »Nicht? Was meinen Sie damit, ich werde nicht sterben?«
    »Nicht jetzt. Sie werden jetzt noch nicht sterben.«
    Dem hinfälligen kleinen Mann blieb jeder weitere Spott im Halse stecken. Er sah mir in die Augen und sank in sein Bett zurück.
    »Oh … ich werde jetzt nicht sterben, ich meine, nicht jetzt gleich?«
    »Nein, Saul, Sie sterben noch nicht. Sie werden leben.«
    »Oh … Gott sei Dank, Dank …,« und er griff nach mir und legte seinen Kopf an meine Schulter. Viele Jahrhunderte und Jahre der Hoffnungslosigkeit und des Verzagens schluchzten auf, und sein schmächtiger Körper zitterte an meiner Seite wie der eines Kindes.
    »Wirklich? Noch ein Stück von diesem Leben, ja? Oh, das ist gut, das ist wirklich gut. Gott sei Dank, Dr. Basch, Gott hat bisher nicht gerade viel für mich getan, aber das, das ist Leben … das ist wie neugeboren …«
    Wir waren so glücklich. Die ganze Welt war heilbar und sexy und ein Riesenspaß, und wir waren erregt, wir glühten am Busen, an den Brustwarzen und Armreifen und Schenkeln des
House of God.
Das war so tröstlich wie das Geräusch der Lastwagen, die in der Bronx über das Kopfsteinpflaster die Hügel hinunterrumpelten und mich als Kind in den Schlaf lullten, wenn wir bei meiner Tante Lil waren und alles so leicht war und so ein verdammter Riesenspaß.
     
    Es war nicht leicht, und es war kein Spaß. Unser betrügerischer Vizepräsident trat zurück, und der ehrliche Jerry Ford stürzte herein, indem er die Hubschraubertür mit dem Kopf aufstieß. Am Samstag nach Nixons Samstag-Nacht-Massaker, mit dem er versucht hatte, die Menschen davon abzuhalten, ihn rauszuschmeißen, indem er sie seinerseits raußschmiß, erwachte ich an einem strahlenden Spätherbsttag, der so farbenfroh war wie alle bunten Blätter zusammen. Ich freute mich, am Leben zu sein, bis ich für die nächsten sechsunddreißig Stunden den leibhaftigen Tod, das
House of God,
betrat.
    Sonntags im Dienst hatte ich immer das Gefühl, als sei ich ein Kind mit Stubenarrest, das sehnsüchtig aus dem Fenster sieht. Jo dagegen, die Außenseiterin, verbrachte ihr Leben damit, sehnsüchtig hineinzusehen, und da es ihr widerstrebte, Wüstlingen und Verrückten wie uns ihre Station zu überlassen, kam sie an ihrem freien Tag, dem Sonntag, stets vorbei, um zu helfen.
     
    In der vorangegangenen Woche hatte sie mich zum Abendessen eingeladen. Ihr Apartment war kühl wie das eines Motels. Die Stereoanlage war immer noch nicht ausgepackt. Es gab keine Pflanzen. Der Tisch im Eßzimmer mußte erst von Zeitschriften und Manuskripten freigemacht werden. Wir kämpften uns steif durch das Essen. Ihre Einsamkeit griff nach mir. Als sie darüber sprach, wie schwer es in der Medizin für eine Frau sei, Männer außerhalb des Berufslebens kennenzulernen, wußte ich nicht, was ich dazu sagen sollte. Sie behauptete, sie versuche, uns zu verstehen und würde gern mit uns befreundet sein. Die Spannung auf der Station gefiele ihr überhaupt nicht. Und sie habe sich an mich gewandt, weil ich der Älteste sei, offensichtlich der Anführer, und sie wolle von mir wissen, wo diese Spannung meiner Meinung nach herkäme.
    »Sie müssen uns mehr vertrauen«, sagte ich. »Uns loslassen. Es ist doch kein Verbrechen, nicht immer alles für jeden Patienten zu tun, oder?«
    »Nein, das ist es nicht.« sagte sie. »Ich weiß. Aber es fällt mir schwer, das zu akzeptieren.«
    »Versuchen Sie es.«
    »Was soll ich tun?«
    »Ich denke, Sie sollten zum Beispiel nicht auf die Station kommen, wenn ich nächsten Sonntag Dienst habe. Das wäre ein guter Anfang.«
    »Gut. Ich werde es versuchen. Danke, Roy, vielen Dank.«
    Am Sonntag war Jo schon vor mir da. Ich versuchte, locker zu bleiben und sagte:
    »Sie konnten es nicht lassen, was?«
    »Ich habe es versucht, Roy, glauben Sie mir, ich hab’s versucht. Aber ich bereite mich auf’s Examen vor, und ich kann nicht immer nur pauken. Außerdem brauchen Sie vielleicht Hilfe.«
    Und wieder saß ich in der Falle. Aus Angst, sie würde von einer Brücke springen, konnte ich ihr nicht sagen, wie wütend ich war. Selbst wenn ihre
Interns
sie mit ihrem Sexkarneval ärgerten, sie mit ihren Bemerkungen verletzten, und sie sich immer mehr ausgeschlossen fühlte, lag ihr einziges Glück in der

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