House of God
Gestank einer Krankheit verschwinden läßt, und die Welt diesem seinen Sieg Beifall zollt, wie sein Paps ihm niemals Beifall gezollt hatte. Der Leggo war versessen darauf, solche elektrisierenden Augenblicke zu produzieren. Er glaubte, wenn er nur eine Art Van-der-Graaf-Generator im
House of God
war, würde er seine Jungs dazu bringen, ihn zu mögen.
»Wissen Sie, Roy, in dem anderen Krankenhaus, im City, mochten mich meine Jungs. Früher mochten mich meine Jungs immer, verstehen Sie, immer. Wir hatten eine phantastische Zeit zusammen. Aber hier im
House …
«
»Ja, Sir?«
»Wissen Sie, warum das hier nicht so ist?«
»Vielleicht hat es etwas mit Ihrer Auffassung von Medizin zu tun, vor allem, was die Gomers angeht.«
»Die was?«
»Die chronisch kranken, dementen, geriatrischen Pflegefälle, Sir. Sie scheinen zu glauben, daß es denen um so besser geht, je mehr Sie mit ihnen anstellen.«
»Richtig. Sie haben Krankheiten, und bei Gott, wir behandeln sie: aggressiv, objektiv, hundertprozentig, und wir geben niemals auf.«
»Nun, genau das ist es. Mir hat man beigebracht, daß die beste Behandlung für sie gar keine Behandlung ist. Je mehr man für sie tut, um so schlechter geht es ihnen.«
»Was? Wer hat Ihnen das beigebracht?«
»Der Dicke.«
Die Worte zogen zwei Furchen in die Stirn des trockenen Mannes, und er sagte:
»Sie glauben dem Dicken doch nicht etwa, oder?«
»Zu Anfang dachte ich, er sei verrückt. Aber dann habe ich es selbst ausprobiert, und erstaunlicherweise hat es funktioniert. Als ich es aber auf Ihre Weise versuchte, auf Jos Weise, entwickelten sich unglaubliche Komplikationen. Ich bin noch nicht ganz sicher, aber ich glaube, der Dicke hat es erfaßt. Er macht sich vor niemandem zum Narren, Sir.«
»Ich verstehe nicht. Der Dicke hat Ihnen beigebracht, daß Ihre wichtigste Aufgabe darin bestehe, keine ärztliche Betreuung zu leisten?«
»Der Dicke sagt, genau das sei ärztliche Betreuung.«
»Was? Nichts zu tun?«
»Das ist auch ein Tun.«
»Station 6 -Süd ist die beste Station im Haus, und Sie wollen mir weismachen, das käme vom Nichtstun?«
»Das kommt wirklich vom Nichtstun. Wir tun so wenig wie möglich, ohne daß Jo es merkt.«
»Auch die Verlegungen?«
»Das ist eine andere Geschichte.«
»Also, für heute waren das genug Geschichten«, sagte der Leggo verblüfft, verfolgt von dem Dicken, den er doch ins St. Irgendwo verbannt glaubte. »Dann ist also diese ganze Lässigkeit, von der Jo berichtet. – Wenn Sie keine Temperatur messen, stellen Sie auch kein Fieber fest –, dann ist das also Ihr Bemühen, so wenig wie möglich zu tun, richtig?«
»Richtig.
Primum non nocere
mit Abwandlungen«, sagte ich.
»
Primum non …
Aber warum tun Ärzte dann überhaupt etwas?«
»Der Dicke meint, um Komplikationen hervorzurufen.«
»Warum sollten Ärzte Komplikationen hervorrufen wollen?«
»Um Geld zu verdienen.«
Das Wort Geld traf den Leggo hart. Er war an irgend etwas erinnert worden.
»Da fällt mir ein: Dr. Otto Kreinberg sagt, Sie belästigten seine Patienten, würden sie kneifen, hypnotisieren, ihre Betten auf gefährliche Höhen kurbeln. Otto ist ein ganz famoser kleiner Mann, vor Jahren war er für den Nobelpreis im Gespräch. Was hat es damit auf sich?«
»Oh, das war ich nicht, Sir, das war Bruce Levy.«
»Aber er ist Ihr BMS .«
»So?«
»Sie sind, verdammt noch mal, für ihn verantwortlich. So wie Jo für Sie verantwortlich ist und Dr. Fishberg für Jo und ich für ihn. Levy ist Ihre Verantwortung, verstanden? Sprechen Sie mit ihm. Stutzen Sie ihn zurecht.«
Ich dachte, es sei besser, den Leggo nicht zu fragen, in wessen Verantwortlichkeit
er
fiele, und sagte:
»Nun, ich habe es versucht, Sir, aber ich fürchte, ich habe versagt. Levy behauptet, ich könnte die Verantwortung für seine Handlungsweise nicht übernehmen, er müsse selbst für sich verantwortlich sein.«
»Was? Das widerspricht allem, was ich gerade gesagt habe.«
»Ich weiß, Sir, aber er ist in Psychotherapie, und sein Analytiker sagt ihm das, und er sagt es mir.«
Ich hätte übrigens gern gewußt, wer die Verantwortung für den reichen Protz, der sich Amerika nennt, übernahm, wenn Agnew und Nixon gleichzeitig in den Knast wanderten.
»Und Sie sagen, Sie glauben, was der Dicke sagt?«
»Ich bin nicht sicher, Sir. Ich bin erst seit vier Monaten
Intern.
«
»Gut. Wenn nämlich jeder so dächte wir er, würde es keine Internisten mehr geben.«
»Genau, Sir. Es gäbe keinen
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