Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)
Ringelnattern beisammen, die wir in einem zugebundenen Sack auf unser Zimmer legten. Mittlerweile war die Zeit zum Abendessen gekommen. Ein ordentliches Tagewerk lag hinter uns, und wir hatten riesigen Hunger. So hieben wir denn tüchtig ein, und als wir wieder auf unser Zimmer kamen, da – da war keine einzige Schlange mehr zu sehen, alle weg, wie weggeblasen. Wir hatten den Sack nicht fest genug zugebunden, und die Racker hatten sich durchgeringelt. Das focht uns aber nicht viel an, denn wir dachten, weit könnten sie doch nicht sein, und sie würden sich schon wieder einfangen lassen. Wahrhaftig, in der nächsten Zeit konnte man sich über Schlangenmangel im Hause nicht beklagen. Immer ab und zu fiel mal eine von irgendwo herunter und immer gerade in die Schüssel, vor der man eben saß, oder auf den Teller oder hinten auf den Nacken, wenn man den Kopf neigte, kurz, immer dahin, wo man sie am wenigsten brauchen konnte. Schön waren sie aber alle und fein gestreift, und mich hätte eine Million davon nicht geniert. Tante Sally aber dachte anders, die haßte alle ohn' Ansehen der Person und Familie, ob gestreift oder gefleckt: sie konnte sie nicht ausstehen. Und jedesmal, wenn ihr eine in den Weg kam, ob von oben oder von unten, ließ sie alles liegen und stehen und lief mit Windeseile davon, und ihr Geschrei konnte man in Jericho hören. Nicht einmal mit der Feuerzange getraute sie sich eine anzufassen. Und wenn sie sich nachts im Bett umdrehte und zufällig ein solch armes, unschuldiges Tierchen berührte, schlug sie ein Geheul an, als ob das Haus in Flammen stünde. Ich konnte die Frau gar nicht begreifen! Ihren alten Mann regte sie so auf mit der Sache, daß er einmal sagte, er wollte, unser Herrgott hätte die Schlangen zu erschaffen vergessen. Nachdem schon eine ganze Woche lang die letzte Schlange spurlos aus dem Haus verschwunden war, hatte Tante Sally die Angst vor ihnen noch nicht verloren, noch nicht halb verloren. Wenn sie so still dasaß und an nichts dachte, brauchte man sie nur mit einer Feder auf den Hals zu tippen, und sie fuhr erschrocken herum und beinahe aus ihrer Haut heraus. Es war zu komisch! Tom sagte aber, alle Frauen seien so; er sagte, die seien so erschaffen, aus irgendeiner besonderen Ursache, warum, wisse er. selber nicht, aber so sei's.
Wir bekamen jedesmal eine Tracht ab, wenn ihr eine Schlange über den Weg kroch, und sie bedeutete uns, es würde noch was ganz anderes setzen, wenn wir das Haus wieder damit bevölkerten. Daß wir's gewesen, ließ sie sich trotz allen Zuredens nicht nehmen, ja, sie. war eine kluge Frau, die Tante Sally! Die Prügel genierten mich weiter nicht, ich war Besseres dieser Art gewöhnt, aber die Mühe, die wir hatten, um zu einem neuen Vorrat von Schlangen zu kommen, war verdrießlich. Na, uns gelang es doch, wieder eine Partie zusammenzubringen, und wir schafften sie nebst allem andern in Jims Hütte. Die hätte noch einmal so groß sein dürfen, um alle die' Einwohner bequem zu fassen. Das war ein Gewimmel! Aber lustig war's, wenn sie bei der Musik alle um Jim herumschwärmten und ihm zu Leibe rückten. Die Spinnen machten ihm besonders heiß, die konnte er nicht leiden und sie ihn auch nicht, und so lag er mit ihnen immer im Kampfe. Er sagte, wegen all der Ratten und Schlangen und dem Mühlstein habe er gar keinen Platz mehr im Bett. Schlafen könne er ohnehin nicht mehr, selbst wenn er Platz hätte, so lebhaft gehe es bei ihm zu, und das immerwährend, ohne alle Unterbrechung, denn das Viehzeug schlafe nie zu gleicher Zeit; wenn die einen schliefen, wachten die andern. Seien die Schlangen einmal ruhig, dann machten's die Ratten um so toller, und Spinnen und Käfer und das andre Getier ließen ihn überhaupt nie in Ruhe; kurz, er meinte, wenn er diesmal freikäme, wirklich und wahrhaftig frei, dann wolle er nie, nie mehr in seinem Leben Gefangener sein, und wenn ers's bezahlt bekäme – lieber gleich auf einmal sterben! Na, nach Verlauf von drei Wochen war dann alles in bester Ordnung. Das Hemd war ebenfalls in einer Pastete hineingeschmuggelt worden, und wenn nun des Nachts Jim von einer Ratte gebissen wurde, benutzte er die Blutstropfen, um geschwind etwas in sein Tagebuch zu kritzeln, solange die Tinte noch frisch war. Die Federn waren gemacht, die Inschriften und was dazugehörte waren auf den Mühlstein geritzt, der Bettpfosten war durchsägt und das Sägmehl von uns aufgeleckt worden, wogegen unser Magen erstaunlich rebellierte, so daß wir
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