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Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Titel: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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weiß auch, wo ich ihn versteckt habe, fürchte aber, daß er nicht mehr da ist. Es tut mir sehr leid, Fräulein Mary Jane, nie hat mir etwas so leid getan; aber ich tat alles, was ich tun konnte. So wahr ich lebe, ich meinte es ehrlich. Ich wurde beinah erwischt, und ich mußte ihn am ersten besten Platz verstecken und mich aus dem Staub machen – und es war kein guter Platz.«
    »Oh, hör doch auf, dich anzuklagen! Es ist nicht recht von dir, und ich leid' es nicht. Es war nicht deine Schuld. – Wo hast du ihn versteckt?«
    Ich wollte sie nicht wieder an ihren großen Kummer erinnern, so schwieg ich eine Minute und sagte dann: »Ich sag' es Ihnen jetzt lieber nicht, Fräulein Mary Jane, wenn Sie's mir nicht übelnehmen; doch ich will es Ihnen auf ein Stück Papier schreiben, und Sie können es auf dem Weg zu Lothrops lesen, wenn Sie wollen. Sind Sie damit zufrieden?«
    »O ja.«
    So schrieb ich denn: »Ich verbarg ihn im Sarg. Er steckte drin, als Sie dort weinten – damals in der Nacht. Ich stand hinter der Tür und hatte viel Mitleid mit Ihnen, Fräulein Mary Jane.«
    Mir wurden die Augen feucht bei dem Gedanken, wie sie dort einsam in der Nacht weinte, während diese Teufel, unter ihrem eigenen Dach beherbergt, sie betrogen und beraubten; und als ich das Papier zusammenfaltete und ihr gab, sah ich auch in ihren Augen Tränen, und sie schüttelte mir kräftig die Hand und sagte: »Leb wohl. Ich will alles tun, wie du mir's gesagt hast. Und sollte ich dich auch nie wiedersehen, so werde ich dich doch nie vergessen; und ich werde oft, sehr oft an dich denken und auch für dich beten!« – und sie war fort.
    Für mich beten! Na, wenn die dich kennen würde, dachte ich bei mir, würde sie eine Arbeit wählen, die ihrer Kraft angemessener und erfolgversprechender wäre. Aber ich wette, sie hat's doch getan, das sah ihr ganz gleich. Darüber war kein Zweifel, sie besaß mehr Festigkeit, als ich je bei einem Mädchen gesehen hatte, und wirklichen Charakter. Das mag wie Schmeichelei klingen, ist aber keine. Was Schönheit anbetrifft, und auch Güte – ach, da übertraf sie alle. Seit dem Augenblick, als sie zur Tür hinausging, hab' ich sie nie wiedergesehen, nein – nie; aber an sie gedacht hab' ich viele, viele millionenmal, auch an ihre Worte, daß sie für mich beten würde. Und wenn ich genau gewußt hätte, daß es ihr wohltun könnte, wenn ich für sie betete, so will ich verdammt sein, wenn ich's nicht versucht hätte.
    Also Mary Jane war fort, und niemand hatte sie fortgehen sehen.
    Als ich der Susan und der Hasenlippe begegnete, sagte ich: »Wie heißen die Leute jenseits des Flusses, die Sie zuweilen besuchen?« Sie antworteten: »Da sind mehrere, aber besonders die Proktors.« »Das ist der Name«, rief ich, »bald hätt' ich's vergessen! Fräulein Mary Jane befahl mir, Ihnen zu sagen, daß sie in großer Eile dahinüber mußte; es ist dort jemand krank.«
    »Wer denn?«
    »Ich weiß nicht; oder vielmehr, ich hab's vergessen, aber ich glaube, es war –«
    »Um Gottes willen, doch nicht etwa Hannah?«
    »Leider doch«, rief ich, »Hannah war der Name.«
    »Um Gottes willen! Und noch vorige Woche war sie so munter! Ist es schlimm?«
    »Ach, wenn's bloß schlimm wäre. Man wachte bei ihr die ganze Nacht, sagte Fräulein Mary Jane, und befürchtet, daß sie nicht mehr lange leben wird.«
    »Wer hätte das gedacht! Was fehlt ihr denn?«
    Mir fiel im Augenblick nichts Vernünftiges ein, so sagte ich denn: »Mumps.« In manchen Gegenden auch Wochentölpel genannt.
    »Mumps? Du Schlafmütze! Man wacht nicht bei Leuten, die Mumps haben.«
    »So, meinen Sie? Na, Sie können darauf wetten, daß man bei diesem Mumps wacht. Das ist nämlich ein ganz anderer Mumps. Es sei eine neue Gattung Mumps, sagte Fräulein Mary Jane.«
    »Wieso?«
    »Weil noch andere Übel dabei sind.«
    »Was für andere?«
    »Ach, Masern und Keuchhusten und Rose und Schwindsucht und Gelbsucht und Gehirnfieber, und ich weiß nicht, was noch mehr.«
    »Ach was! Und das heißen sie Mumps? «
    »Fräulein Mary Jane sagte so!«
    »Aber um alles in der Welt, warum nennen sie das Mumps?«
    »Warum? Weil's Mumps ist. Damit fängt's an.«
    »Liegt darin auch Sinn und Verstand? Angenommen, es verstaucht einer seine Zehen und fällt nachher von einem Haus herab, bricht den Hals und die Hirnschale, und es fragte jemand, woran er gestorben sei, und so ein Tölpel antwortete: ›Nun, er hatte sich die Zehen verstaucht!‹ – hätte das auch Sinn und

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