Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)
gesteigert wurde, landete ein Dampfboot, und in etwa zwei Minuten kam eine Menschenmenge schreiend und lachend daher, und viele riefen: ›Hurra, da sind neue Erben vom alten Wilks! Sie leben hoch!‹
Sie brachten einen fein aussehenden alten Herrn und einen netten jungen Mann, der den rechten Arm in einer Schlinge trug.
Das Volk umringte sie jubelnd und lachend. Mir war's aber gar nicht lächerlich, und ich dachte, nun würde dem König und dem Herzog der Spaß vergehen. Doch weit gefehlt. Der Herzog ließ sich nicht das mindeste anmerken, sondern gu-gu-te drauflos, wie ein Krug mit engem Halse, aus dem man Buttermilch gießt. Der König aber blickte mitleidig auf die Neuankömmlinge herab, als bereite ihm der Gedanke, daß es solche Schurken und Betrüger auf der Welt geben könne, Magenschmerzen bis ins Herz hinein. Oh, er machte das bewundernswert. Eine Menge Leute umringten den König, um ihm zu zeigen, daß sie auf seiner Seite seien. Der eben angekommene alte Herr schaute ganz verdutzt drein. Bald jedoch fing er an zu reden, und ich konnte gleich hören, daß er wie ein Engländer sprach; nicht wie der König, obwohl der es ganz gut nachmachte. Des alten Herrn Worte kann ich nicht wiedergeben, aber er sagte etwa folgendes: »Das ist eine Überraschung, die ich nicht voraussah, und ich muß es leider frei gestehen: Ich bin schlecht vorbereitet, ihr zu begegnen, denn mein Bruder und ich haben Unglück gehabt; er hat den Arm gebrochen, und unser Gepäck wurde durch einen Irrtum letzte Nacht in einem Städtchen weiter oberhalb ans Land gesetzt. Ich bin Peter Wilks' Bruder Harry, und das ist sein Bruder William, der weder hören noch reden, und jetzt auch nicht einmal ordentlich Zeichen machen kann, da er nur eine Hand dazu frei hat. Wir sind, was wir zu sein vorgeben, und in ein bis zwei Tagen, wenn ich mein Gepäck erhalte, kann ich's beweisen. Bis dahin will ich nichts weiter sagen, sondern ins Gasthaus gehen und warten.«
So gingen er und der neue Stumme ab; der König platzte folgendermaßen los: »Arm gebrochen – sehr wahrscheinlich, he? Und sehr rechtzeitig, zumal für einen, der Zeichen machen soll und es nicht gelernt hat. Gepäck verloren! Ausgezeichnet, vorzüglich ausgedacht unter den Verhältnissen!«
Dann lachte er und die andern auch, außer dreien oder vieren. Einer davon war der Arzt, ein anderer ein scharf dreinblickender Herr mit einer alten Reisetasche, der eben mit dem Dampfboot gekommen war und mit dem Arzt leise sprach. Sie sahen zum König hinüber und winkten einander zu – es war Levi Bell, der Advokat, der in Louisville gewesen war. Der dritte, der nicht mitgelacht hatte, war ein großer, rauher Kerl, der erst dem alten Herrn zugehört hatte und nun die Rede des Königs anhörte.
Er wartete, bis er geendet, und fuhr ihn dann wie folgt an: »Hör mal, wenn du Harry Wilks bist, wann kamst du hierher?«
»Den Tag vor der Beerdigung, Freund«, sprach der König.
»Zu welcher Tageszeit?«
»Am Abend, etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang.«
»Woher kamst du?«
»Von Cincinnati, mit Dampfer Susan Pawell .«
»So – ich hab' dich doch am Morgen in einem Kanu bei der Landzunge landen sehen.«
»Ich war am Morgen nicht bei der Landzunge.«
»Das ist gelogen!«
Mehrere sprangen auf und baten ihn, doch nicht so zu einem alten Mann und Prediger zu reden.
»Potz Prediger, ein Betrüger und Lügner ist er. Er war jenen Morgen auf der Landzunge. Ich wohne da – ich war da, und er war da. Ich sah ihn dort. Er kam in einem Kanu mit Tim Collins und einem Knaben.« – Da rief der Arzt: »Würdest du den Knaben erkennen, wenn du ihn siehst, Heinz?«
»Ich weiß nicht, aber ich glaube. – Da ist er ja, ich kenne ihn ganz gut.« Er wies dabei auf mich.
Der Arzt sprach:
»Nachbarn, ich weiß nicht, ob das neuangekommene Paar Betrüger sind oder nicht; aber wenn die hier keine sind, will ich ein Narr sein. Ich halte es für meine Pflicht, sie nicht fortzulassen, bis wir mehr in Erfahrung bringen. Komm, Heinz, kommt alle, wir nehmen dieses Paar ins Gasthaus und stellen es dem andern gegenüber. Wir werden dann bald dahinterkommen.«
Das war ein Spaß für die Menge, wenn auch nicht für des Königs Freunde. So gings denn los. Es war um Sonnenuntergang. Der Arzt führte mich bei der Hand; er war ganz freundlich, ließ aber meine Hand nie los.
Wir gingen ins große Zimmer des Gasthofs, zündeten Licht an und holten das neue Paar.
Erst sprach der Arzt: »Ich will mit diesen beiden Männern
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