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Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Titel: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
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weit weg von Weib und Kindern verkaufte? Ich meinte Jims kummervolles Gesicht zu sehen! Nein, ich konnte nicht so treulos sein. Und wenn es Todsünde wäre und ich geradewegs zur Hölle müßte. Na, dort würde auch eher Platz für Huck Finn, den Schmierfink, sein, als da oben in den glänzenden Himmelshallen bei den sauberen Engelein! Ich konnte doch nichts Besseres verlangen – so ein armer, elender Teufel, wie ich einer bin. Es war ja schrecklich, einem Nigger durchzuhelfen, das wußte ich; es war schlimmer als lügen und stehlen und rauben und morden; aber einerlei, ich konnte doch Jim nicht im Stich lassen! Als ich soweit mit mir im klaren war, sprang ich auf, wanderte rüstig vorwärts und dachte, alles übrige, wie und auf welche Weise ich dem armen Jim helfen könnte, werde sich schon finden, wenn ich erst einmal an Ort und Stelle wäre.
    Mein Weg führte noch eine Strecke weit durch dichten Wald, dann erreichte ich ein frisches, grünes Tal, sah ein Gebäude von fern, und lief drauf zu. Meine Vermutung bestätigte sich; bald sah ich das Schild: Sägmühle von S. Phelps. Da war ich also an Ort und Stelle und wollte nun das Schicksal gewähren lassen, wie es mich trieb.
    Alles ringsum war wie ausgestorben, es war still, wie am Sonntag, und heiß und sonnig. Die Leute schienen alle auf dem Feld bei der Arbeit zu sein, und in der Luft schwirrte und summte es von Käfern und Insekten; dieser Ton gibt einem immer das Gefühl, als ob alles vereinsamt, jedermann gestorben und begraben sei. Kommt dann ein leichtes Lüftchen und bewegt die Blätter leise, so meint man das Flüstern der Geister der Dahingeschiedenen zu hören, und es läuft einem ordentlich kalt über den Rücken, und man wünscht selbst tot und begraben zu sein, erlöst von all dem Übel der Welt.
    Silas Phelps' Farm war eine Baumwollpflanzung, wie man sie zu Dutzenden trifft und die man im Traum beschreiben kann. Ein Zaun rings um den großen Hof, ein paar elende Grasplätzchen drin, sonst kahl und glatt wie ein abgeschabter Filzhut. In der Mitte ein großes Blockhaus für die Familie aus behauenen Hölzblöcken, die Spalten dazwischen mit Speis und Mörtel zugeschmiert und vorzeiten einmal getüncht. Dicht daneben eine Küche, durch einen breiten, großen, offenen, aber überdachten Gang mit dem Haus verbunden. Hinter der Küche die Räucherkammer. Gegenüber drei Negerhütten in einer Reihe, dann eine einzelnstehende weiter hinten gegen die Rückseite des Zauns zu, dann noch ein paar Wirtschaftsschuppen in derselben Richtung. Bei der kleinen alleinstehenden Hütte sehe ich einen großen Kessel zum Seifensieden, vor der Küchentür eine Bank mit einem Wassereimer und Schöpfer drauf, ein Hund liegt ausgestreckt davor und schläft mitten in der heißesten Sonne. Im Hof noch mehrere Hunde, ebenso beschäftigt. In einer Ecke des Hofs ein paar schattenspendende Bäume, am Zaun einige Johannisbeer- und Stachelbeerbüsche. Außerhalb des Zaunes ein Garten und ein Melonenbeet, dann die Baumwollfelder und dahinter die Wälder.
    Ich ging erst einmal ringsherum und betrachtete mir das Ganze von allen Seiten. Dann kletterte ich hinten über den Zaun und ging direkt auf die Küche zu. Kaum war ich ein wenig näher gekommen, so hörte ich das Summen eines Spinnrads, immer denselben kläglichen, gleichmäßigen, einförmigen Ton, und nun kam mir erst recht der Wunsch, tot zu sein, denn von allen Geräuschen der Welt ist mir dies das unausstehlichste, es macht mich ganz traurig und melancholisch. Abhalten ließ ich mich aber nicht, sondern schritt kühn vorwärts und hoffte, daß die gütige Vorsehung mir die rechten Worte zur rechten Zeit schon in den Mund legen würde; bis jetzt hatte sie's wenigstens immer im richtigen Moment getan, sobald ich sie nur ruhig hatte gewähren lassen.
    Kaum war ich halbwegs bis zur Küche vorgerückt, als sich erst ein Hund und bald darauf ein zweiter kläffend erhoben. Im nächsten Moment war ich von ungefähr fünfzehn umringt, wie die Achse eines Rades von den Speichen, und alle hoben ihre Köpfe und Nasen nach mir und bellten und heulten in allen Tonarten. Wohin ich auch blickte, aus allen Ecken und Enden, hinter den Hütten hervor und über den Zaun herüber kam noch neuer Nachschub angesegelt; ich stand ganz still dazwischen, rührte mich nicht und betrachtete mir die Meute.
    Ein altes Negerweib kam jetzt aus der Küche angerannt und verscheuchte die Bestien mit einem Bratspieß, den sie kriegerisch schwang. »Wollt ihr

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