Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition)

Titel: Huckleberry Finns Abenteuer und Fahrten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Twain
Vom Netzwerk:
holen?«
    »Weil es so heiß war, hab' ich mein Bündelchen im Wald liegenlassen; ich hab's gut versteckt und am Weg ein Zeichen gemacht, damit ich's wiederfinde.«
    »Ja, da mußt du freilich selber hin«, sagte sie.
    Mir aber war's allmählich so unbehaglich geworden, daß ich kaum mehr hören und sehen konnte. Mein Kopf glühte mir nur so, und gern hätte ich einmal die Kinder beiseite genommen, um von ihnen herauszukriegen, wer ich denn eigentlich sei. Aber daran war nicht zu denken. Frau Phelps schwatzte und schwatzte in einem fort, ihr Mund bewegte sich immerzu wie ein Mühlrad. Auf einmal hörte ich sie sagen: »Da schwatzen wir aber immer drauflos, und du hast mir noch kein Wort von der Schwester und allen dort erzählt. Na, ich stell' meine Mühle ab, leg du mal los, Junge, und berichte mir von allem und jedem, hörst du? Sag mir, wie's ihnen geht, was sie tun und treiben, was sie dir für mich aufgetragen haben, jedes kleinste Wort, an das du dich erinnern kannst. Na, Junge!«
    Mir lief bei diesen Worten eine Gänsehaut über den ganzen Leib. Da saß ich nun fest! Bis hierher hatte mir die gütige Vorsehung durchgeholfen, nun schien sie mich schmählich im Stich lassen zu wollen. Ich schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Wasser und marterte mein Hirn ab, um einen einigermaßen geeigneten Ausweg zu finden. Wie ich eben den Mund auftun will, um mir mit ein paar kleinen, unschuldigen Flausen erst Luft zu verschaffen, eh' ich weiter in dies gefährliche Fahrwasser tauche, faßt sie mich hastig am Arm, zerrt mich hinters Bett, und flüstert: »Da kommt er! Zieh doch deinen Kopf ein bißchen ein – noch tiefer, so ist's recht, nun kann er dich nicht sehen. Daß du dich nicht verrätst, hörst du? Ich will ihn einmal ordentlich anführen. Kinder, ihr sagt mir kein Wort von Vetter Tom, sonst gibt's was!«
    Ich saß gut in der Klemme, aber bange machen gilt nicht, und so hielt ich eben stille und wartete ab, bis der Blitz niederfuhr.
    Ich konnte gerade noch einen flüchtigen Blick auf den alten Mann werfen, der nun ins Zimmer trat, ehe ihn das Bett verdeckte. Frau Phelps springt auf ihn los und schreit: »Ist er da?«
    »Nein!« sagt der Mann.
    »Herr, du mein Gott«, jammert sie da, »was in aller Welt ist aus dem armen Jungen geworden?«
    »Ja, da fragst du mich mehr, als ich dir sagen kann«, und der alte Herr zuckt die Schultern, »ich muß sagen, ich fange ernstlich an, mir Sorge zu machen.«
    »Sorge?« schreit sie auf, »Sorge? Mir kostet's nächstens den Verstand! Er muß ja da sein, gewiß hast du ihn nur unterwegs verfehlt, Alter, ja, ja, so wird's sein, ganz gewiß; ich ahne, daß es so ist!«
    »Na, Sally, verfehlt! Das ist auf dem Wege ja rein unmöglich.«
    »Aber, ach, du allmächtiger Herr im Himmel, was wird die Schwester sagen! Was wird sie sich für Gedanken machen! Er muß ja gekommen sein – du mußt ihn verfehlt haben! Er ...«
    »Na, Alte, mach mich nicht toll, ich weiß kaum, was ich denken soll, ich bin wahrhaftig am Ende meiner Weisheit, und die Geschichte ist mir unbegreiflich! Gekommen ist er aber nicht, soviel steht fest, denn ich kann ihn nicht verfehlt haben. Ach, Sally, es ist schrecklich, schrecklich. Ich fange wahrhaftig an, zu glauben, daß dem Boot etwas passiert sein muß!«
    »Da, Silas, sieh doch einmal dahin – zum Fenster hinaus! Kommt dort nicht jemand daher?«
    Er sprang ans Fenster und starrte hinaus, dem Zimmer den Rükken kehrend, und das war's, was sie wollte. Flink bückte sie sich nach mir und faßte mich am Rockkragen; ich kroch hinter dem Bett hervor, und wie sich der alte Herr wieder umdrehte, stand sie strahlend und leuchtend und glühend da, wie eine ganze Feuersbrunst, und ich daneben, erbärmlich wie ein begossener Pudel mit hängenden Ohren und hängendem Schwänze. Mir brach der Angstschweiß aus allen Poren.
    »Na, wen haben wir denn da?« ruft er und starrt mich an.
    »Wen meinst du wohl?« fragt sie schlau.
    »Woher soll ich das wissen? Ich hab' keine Ahnung! Wer ist's denn?«
    »Ei, Tom Sawyer ist's, Männchen!«
    Mir war's, als zuckte ein Blitzstrahl vom Himmel und schlüge neben mir ein. Tom Sawyer! Aber ehe ich noch Atem schöpfen konnte, hatte mich schon der alte Mann bei der Hand und drückte und schüttelte sie, bis er genug hatte. Und seine Frau tanzte um uns herum wie ein Indianerhäuptling und lachte und weinte, und beide feuerten zwischendurch ganze Salven von Fragen auf mich los über Tante Polly und Sid und Mary und die

Weitere Kostenlose Bücher