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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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nicht ergeben», sagte ich, und Rikki sah plötzlich aus wie Dorit, wenn sie mit dem perfekt manikürten Finger auf mich zeigte und «Genau so bist du!» eiferte. Stimmte ja auch. So war ich. Dieses Leben hatte sich so ergeben, und es ergab sich immer weiter, und ich hatte es so satt. Das Einzige, was ich dagegen tun konnte, war, auf dem größtmöglichen Umweg vier Pfund schöner Haare zu föhnen. «Ich weiß nicht», sagte das Mädchen mit der Bommelmützeund dem Lippenpiercing, «das hört sich alles eine Nummer zu groß an.»
    «Es ist nicht zu groß», sagte ich, «koordinativ ist es auf Augenhöhe mit der Politik. Da arbeiten drei Referenten und zwei Sekretärinnen dran, dass der Ministerpräsident einmal von Halle 2 nach Halle 3 geht und ein Grußwort spricht. Aber wenn es dich gruselt, stell es dir als Catering vor.»
    Es waren noch anderthalb Wochen bis zum Achtundzwanzigsten. Vielleicht sollte ich noch eine kleine Ansprache übers Kiffen halten und sagen, dass es kontraproduktiv sein kann, wenn man inmitten von Politikern mit einer Torte herumsteht und sich partout nicht mehr erinnern kann, was man hier eigentlich wollte. Von den Heißhungerattacken auf Süßes mal ganz abgesehen. Aber das war Pädagogik. Vor uns schlurfte eine Gruppe von vier Krankenkassen-Frauen mit Nordic-Walking-Stöcken. Zu meiner Überraschung zogen die Autonomen unwillkürlich im Tempo an und mit ordentlich Schwung an den Frauen vorbei. ‹Nicht, dass sie noch Gefallen daran finden›, dachte ich, ‹und es demnächst ‚Nordic Walken gegen Rechts   – Nazis davongehen!‘ oder ‚Ich geh am Stock für MigrantInnen‘ gibt.› Ich merkte ja selbst schon, wie meine Kreuzkoordination geschmeidiger wurde. Geschmeidiger sein, ohne sich zu fragen, wozu – das klang sehr nach Nancy. Ach, bald werden wir uns wiedersehen, Anmutigste unter den Gelenkigen!
    Wir hatten die Anhöhe erreicht, von der man über den Fluss auf die Stadt blicken konnte. Um uns herum nur glatte, graublaue Buchenstämme und auf dem Boden das Cornflakes-artige Laub. Ein Ausflugsdampfer fuhr unten vorbei. Ein paar guckten, als wollten sie « Schöööön! » sagen, trauten sich aber nicht, andere stützten sich still auf ihre Stöcke.
    Wenn man erst mal souverän geworden ist, staunt man über die Möglichkeiten, die sich einem auftun. So beschloss ich am Freitagmorgen, dem Morgen von Kruschiks Geburtstag, ganz souverän, ihn doch nicht ungeboren sein zu lassen, sondern ihn stattdessen zu feiern. Ich hatte es ihm genommen, ich konnte es ihm auch wiedergeben. Ich ging nach der Zehn-Uhr-Konferenz wegen einer Petitesse zu Chefs Sekretärin und wunderte mich so nebenbei, dass Kollege Kruschik heute nicht mit Törtchen und Kerze bedacht worden war, wo er doch Geburtstag habe. Chefs Sekretärin schaute in ihre Geburtstagsmeldedatei, schüttelte den Kopf, sah aber, als ich drauf beharrte, noch einmal in seinem Lebenslauf nach, und tatsächlich   … Sie eilte zu Chef hinein, und Chef, dem dieser Fauxpas in seiner Wohlfühloffensive höchst unangenehm war, reagierte prompt. «Um Himmels willen, wie konnte denn das passieren? Ja, das holen wir aber gleich nach. Peinlich, peinlich. Besorgen Sie mal hurtig den Kuchen und alles. Ich trommle ein paar Kollegen zusammen, und dann wetzen wir die Scharte wieder aus, was?», schnarrte Chefs leutselige Stimme aus dem Zimmer.
    Super. Ich musste mich zwingen, nicht vor lauter Verschwörerfreude über den Flur zu hopsen. Vor dem Großraumbüro machte ich zwei kleine Freiübungen. Dann trat ich ein, lockere Hüfte, die Schultern zurück, stabile Wirbelsäule. Das Muster authentischer Beweglichkeit. Ein Mann von lauter Lauterkeit, alles an mir war Segen und Vergeben. Sogar Petra, die an mir vorbei aus dem Büro drängte, warf mir einen kleinen, verwirrten, weil ungewollt freundlichen Blick zu. Nergez saß Kruschik schräg gegenüber und war jetzt wirklich erkältet. Rote Augen, blasse Nase, die Taschentücherpackung in Griffweite auf dem Tisch.
    «Nergez!»
    «Schätzchen», schnupfte Nergez schwach, «was treibst du so?»
    «Ich treibe   …»
    Kruschik räusperte sich.
    «Sport.» Ich machte eine alberne Bizepspose. Nergez fächelte sich übertrieben erregt Luft zu, drehte sich dann zu Kruschik ein und zog die Oberlippe angewidert hoch. «Schon gut, wir reden nicht über das Schlimme!»
    Kruschik nickte ein grimmiges «Besser ist das!» und wandte sich dann wieder der Expertenliste auf seinem Computer zu. Nergez sah mich an, und ich fand

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