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Hüftkreisen mit Nancy

Hüftkreisen mit Nancy

Titel: Hüftkreisen mit Nancy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Schwarz
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Nancy schüttelt nur ernst den Kopf, und dann tat sie etwas, was sie noch nie getan hatte. Sie strich mir mit zwei Fingern über die Jacke, als hätte ich da einen Fussel, was aber nicht der Fall war. Und ging fort. Ich konnte es nicht deuten, aber mir wäre auch nicht geholfen gewesen, wenn ich es hätte deuten können.
     
    Als ich nach Hause kam, saßen drei Muttis in der Küche und sahen mich wortlos an. Ich hielt ihr Stummsein erst für die Erwartung eines Grußes. Doch sie sahen mich auch noch wortlos an, als ich, leicht verschwitzt vom Fahrradfahren, überdeutlich hineinwinkte und hineingrüßte. Selbst nachdem ich mir Schuhe und Jacke ausgezogen, die Post durchgeblättert hatte und zum Kühlschrank ging, einen Becher Kefir herausnahm und ihn leer trank, folgten ihre Blicke mir unverwandt. «Aaah», machte ich, und das «Aaah» klang in eine Stille hinein, die mir dann doch zu viel wurde. Kefirbärtigblickte ich zum Tisch, wo Dorit, Mechthild und Steffi saßen, Latte-macchiato-Humpen aus Pressglas vor sich, Haferkekse in einer Schale auf dem Tisch, und mich ansahen, als wäre ich von den Toten auferstanden. Neben der Schale stand das Nippelhütchen. Ich begriff nur sehr langsam, dass zwischen den Blicken der drei und der Nippelquaste ein Zusammenhang bestand. Hilfreich war, dass Dorit erst zu mir, dann zu dem bunten Teil auf dem Tisch und dann wieder zu mir sah. Ich beschloss, die drei mit reinem, unschuldigem Nichtreagieren zu verunsichern. Und tatsächlich holperte das Gespräch über die Immobilienfatzkes in Stuttgart langsam wieder los. Meine Hoffnung aber, dass mein kurzfristiges Nichtreagieren mit einem langfristigen Nichtreagieren auf der Gegenseite vergolten werden würde, erwies sich als falsch. Kaum dass die beiden Mütter mit ihren aufgekratzten Töchtern aus der Tür waren, rauschte Dorit ins Wohnzimmer, wo ich austrainiert daniederlag.
    Sie baute sich vor mir auf. In ihren spitzen Fingern baumelte die Nippelquaste.
    «Ich habe mit Mascha gesprochen. Sie kannte dieses Ding nicht. Kein Wunder. Das ist ja auch kein Spielzeug», sagte Dorit, «jedenfalls keins für Kinder. Das ist ein Brustwarzenschmuck für Nackttänzerinnen!» Sie ekelte sich das Wort aus dem Mund, als seien «Nackttänzerinnen» eine besonders widerwärtige Hervorbringung der Natur, gleich hinter Nacktmullen.
    «Aha», entgegnete ich schwächlich. «Wer sagt denn das?»
    «Steffi. Sie und ihr Mann waren letzten Jahr in Paris. Unter anderem im
Moulin Rouge

    «Schön.»
    «Max, was läuft hier?»
    Ich setzte mich auf, betont langsam und stöhnend, um ihr zu bedeuten, dass die anstehende Diskussion der Rede nicht wert, unerquicklich und reine Zeitverschwendung sei.
    Ich sagte ihr, dass die Tässel ein Geschenk sei. Ein kleines Geschenk. Ja, von einer Tänzerin, aber nicht von so einer, sondern von einer richtigen Tänzerin, einer Künstlerin.
    «Nippelschmuck-Kunst?», höhnte Dorit. «Was noch? Ist ihr Arschgeweih Teil einer größeren Jagdszene? Von Rubens womöglich?»
    Ich sagte, dass nicht alle jungen Frauen derart billig seien und dass Nancy   …
    «Nancy? Das wird ja immer schöner! Ich kassiere Haue, wenn ich nicht jedem gelehrten Vortrag mit hechelnder Zunge folge, und der Intelligenzforscher selbst kriegt zarte Empfindungen bei Y-Mädchen .»
    Ich sagte ihr noch einmal, dass es mit Nancy und mir etwas anderes sei.
    «Natürlich ist es bei dir was anderes. Mach dir da mal keine Sorgen. Das ist übrigens völlig klar, dass es bei dir was anderes ist. Der alte Sack und die Nackttänzerin – das hab ich echt noch nie gehört! Das ist das erste Mal auf der ganzen Welt. Premiere sozusagen!!»
    Offenbar verbarg sich hinter ihrem aufbrausenden Sarkasmus die skurrile Sorge, dass ihr Mann ein Verhältnis unter seiner Würde haben könnte. Als würde es auf sie zurückfallen, wenn ich außerhalb meiner Steuerklasse fremdginge. Das rührte mich, und ich konnte gar nicht mehr so richtig zurückhacken. Doch Dorit deutete mein warmes Schweigen falsch. Dass ich mich – per Nippelquaste überführt – immernoch nicht bekennen wollte, brachte sie zum Kochen. Erst Billigfleisch und dann noch feige, das war eins zu viel.
    «Deine Abwiegelei steht mir bis hier.» Dorit zog eine Hand quer vor ihrem Hals entlang. Ich fragte sie, ob ich jemals fremdgegangen sei. Dorit sagte, vermutlich nicht, aber das hätte nicht an mir gelegen. Ich sagte ein Schimpfwort mit F.   Dorit nahm es ohne jede Reaktion entgegen. Ich entschuldigte mich für das

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