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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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mir wahrscheinlich schon ein halbes Dutzend Mal den Arm um die Schulter gelegt hatte … reagierte irgendetwas in mir mit stockendem Atem auf seine Nähe. Mir fiel dieser seltsame Anflug von Eifersucht wieder ein, als Celine ihn geküsst hatte, und ich schüttelte verwirrt den Kopf. Einen Moment lang hatte ich sie tatsächlich für den verliebten Ausdruck, der so deutlich sichtbar in ihren Augen aufgeleuchtet war, gehasst. Mein Gott, was war denn mit mir los? Der Kummer um Alex lag mir immer noch wie ein Stein auf der Seele. Was immer das hier war, ich konnte nicht damit umgehen. Ich war auch so schon völlig durch den Wind.
    Ohne zu zögern führte Seb mich durch eine Lücke zwischen zwei Ständen hindurch, die mir noch nicht einmal aufgefallen war. Plastik raschelte und plötzlich kamen wir auf eine andere Straße hinaus, die ebenso voll und tunnelartig war wie die erste. Kein Wunder, dass die Einheimischen leicht feststellen konnten, wer hier nicht dazugehörte: nur jemand, der in Tepito aufgewachsen war, konnte sich mühelos dort zurechtfinden. Seb schwieg, während wir uns zwischen den Ständen hindurchschlängelten – und ich wusste, dass nach der Gewalt und dem Tod, die wir in der Kathedrale mit angesehen hatten, seine Erinnerungen an diesen Ort, an den er jetzt zurückkehrte, noch schmerzhafter waren. Mülleimer nach Essen zu durchwühlen, weil er tagelang gehungert hatte. Sich ängstlich unter einem Marktstand zusammenzukauern, in der Hoffnung, dass der Freund seiner Mutter ihn nicht erwischen würde. Ich schluckte. Solche Bilder hatte ich zuvor schon in seinen Gedanken gesehen, aber noch nie waren sie so emotionsgeladen gewesen.
    Unversehens überfiel mich wieder dieses Kribbeln, als würde ich beobachtet, wie es mir im Haus so oft passiert war. Diesmal war allerdings tatsächlich jemand da, als ich mich umschaute. Ein stämmiger Kerl Anfang zwanzig stand in der Nähe und glotzte lüstern auf meinen kurzen Rock. Ich unterdrückte einen Schauder, es fühlte sich an, als glitten klebrige Hände über meinen Körper.
    Ich merkte, dass sich unsere Blicke trafen, und sah hastig wieder weg, aber es war zu spät – er kam herangeschlendert und verstellte uns den Weg. Obwohl er kleiner war als Seb, war er wesentlich breiter gebaut, vierschrötig und muskulös. Er lächelte mich einschmeichelnd an und sagte etwas auf Spanisch. Seb antwortete kurz angebunden und versuchte, uns an ihm vorbeizulotsen. Der Mann grinste und versperrte uns mit einem Schritt zur Seite den Durchgang. Als ein Geruch nach altem Schweiß und zu viel Kölnischwasser meine Nase traf, drehte sich mir der Magen um. Seine Blicke wanderten genüsslich über meine Brust – und dann streckte er mit einem öligen Grinsen die Hand aus und strich mir über die Wange, wozu er etwas sagte, das in jeder Sprache der Welt schleimig geklungen hätte.
    Mit einem Ruck riss ich den Kopf zurück, aber Seb war schneller. Bei den Worten des Mannes war er erstarrt, aber jetzt packte er ihn am Hemd und stieß ihn zurück. Leises, zorniges Spanisch sprudelte über seine Lippen. Der Kerl revanchierte sich mit einem heftigen Stoß, der Seb ein paar Schritte nach hinten taumeln ließ. Sie standen sich auf dem Bürgersteig gegenüber, während sich ihre Blicke ineinanderbohrten.
    »Schon gut, Seb!« Ich packte ihn am Arm. Mit angespannten Muskeln fixierte er den Mann, ich konnte die feste Schwellung seines Bizeps spüren. »Was auch immer er gesagt hat, vergiss es einfach, bitte!«
    Der Typ grinste höhnisch und sagte wieder etwas. Man musste kein Spanisch sprechen, um die Bedeutung zu erraten:^, hör mal lieber auf deine Freundin. Sie weiß, dass ich dich plattmachen würde.
    Ich beachtete ihn nicht und nahm Sebs Hand, die ich fest drückte. »Komm schon, lass uns gehen.« Ich versuchte zu lachen und setzte hinzu: »Guck mal, ich habe doch noch nicht einmal verstanden, was er überhaupt gesagt hat! Echt, vergiss es einfach. Es ist schon okay.«
    Seb klammerte sich an meine Hand wie an eine Rettungsleine.
    Endlich atmete er aus. »Ja, du hast recht«, sagte er weich.
    Ohne ein weiteres Wort legte er wieder den Arm um mich, und wir gingen davon. Das geschäftige Markttreiben rundherum ging ohne Unterbrechung weiter. Niemand hatte dem Vorfall auch nur die geringste Beachtung geschenkt. Lachend rief der Mann etwas hinter uns her.
    Seb presste immer noch die Zähne aufeinander. Ich konnte spüren, wie sehr er sich zusammenriss, und wusste, dass alles auf einmal auf ihn

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