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Hueter der Erinnerung

Titel: Hueter der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Lowry
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kürzlich bei Ednas Abschied.
     Kanntest du Edna?«
    Jonas schüttelte den Kopf. Er konnte sich nicht erinnern, jemanden dieses Namens gekannt zu haben.
    »Nun, sie versuchten ihr Leben so zu erzählen, als sei es bedeutend gewesen. Natürlich ist jedes Leben von Bedeutung, das
     will ich nicht abstreiten«, fuhr sie etwas schuldbewusst fort. »Aber Edna, du meine Güte! Zuerst war sie Gebärerin, später
     hat sie jahrelang in der Lebensmittelproduktion gearbeitet, bis sie schließlich hierherkam. Sie hatte nicht einmal eine Familie.«
    Larissa hob den Kopf und vergewisserte sich, ob jemand zuhörte. Dann gestand sie Jonas leise: »Ichglaube nicht, dass Edna ein interessanter Mensch war.«
    Jonas lachte. Er spülte ihren linken Arm ab, legte ihn ins Wasser zurück und begann ihre Füße einzuseifen. Sie stöhnte vor
     Vergnügen leise auf, als er ihre Füße mit dem Schwamm massierte.
    »Aber Robertos Leben war wirklich wunderbar«, fuhr Larissa nach einer Weile fort. »Er war Lehrer der Elfer – du weißt ja,
     was für eine ziemlich wichtige Aufgabe das ist – und außerdem Mitglied im Planungskomitee. Und dann – ich weiß gar nicht,
     woher er die Zeit nahm – zog er noch zwei sehr erfolgreiche Kinder groß und er war es auch, der die Landschaftsplanung für
     den Großen Platz gemacht hat. Er hat ihn natürlich nur entworfen, nicht selbst gebaut.«
    »Jetzt kommt der Rücken dran. Lehn dich vor, ich helfe dir beim Aufsitzen.« Jonas legte seinen Arm um die alte Frau und zog
     sie hoch. Er drückte den Schwamm gegen ihren Rücken und begann, über ihre scharfknochigen Schultern zu reiben. »Erzähl mir
     von der Abschiedsfeier.«
    »Nun ja, zuerst wurde sein Leben geschildert. Das kommt immer als Erstes. Dann kam der Trinkspruch. Wir alle hoben unsere
     Gläser und ließen ihn hochleben. Dann sangen wir die Hymne. Er hielt eine großartige Abschiedsrede. Und einige von uns hielten
     eine kleine Ansprache und wünschten ihm alles Gute. Ich nicht. Ich habe noch nie gern öffentlichgesprochen. Er war richtig gespannt. Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als er ging.«
    Jonas’ Hand auf ihrem Rücken wurde langsamer, weil er angestrengt überlegte. »Larissa«, sagte er, »was geschieht, wenn der
     eigentliche Abschied kommt? Wohin genau ging Roberto?«
    Ihre schmalen, nackten Schultern zuckten. »Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass das irgendjemand weiß, außer dem Komitee.
     Er machte einfach nur eine Verbeugung und ging dann, wie alle anderen auch, durch die Tür in den Abschiedsraum. Aber du hättest
     sein Gesicht sehen sollen. Richtig glücklich war er, würde ich sagen.«
    Jonas grinste. »Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen.«
    Larissa runzelte die ohnehin faltige Stirn. »Ich weiß nicht, warum sie Kinder nicht zuschauen lassen. Vielleicht aus Platzmangel,
     nehme ich an. Der Raum für Abschiedsfeiern sollte vergrößert werden.«
    »Diesen Vorschlag sollten wir dem Komitee unterbreiten. Vielleicht beraten sie darüber«, sagte Jonas grinsend und Larissa
     gluckste vor Vergnügen.
    »Eine hervorragende Idee!«, quietschte sie und Jonas half ihr aus der Wanne.

5
    Zu dem allmorgendlichen Ritual, bei dem die Familienmitglieder sich ihre Träume erzählten, trug Jonas normalerweise nicht viel bei. Er träumte selten. Manchmal
     erwachte er mit dem Gefühl, dass ihm noch ein paar Bruchstücke im Kopf herumschwirrten, aber es gelang ihm irgendwie nicht,
     ihrer habhaft zu werden und sie zu etwas Sinnvollem zusammenzusetzen, das er beim Ritual erzählen konnte.
    Aber an diesem Morgen war das anders. Vergangene Nacht hatte er sehr lebhaft geträumt.
    Seine Gedanken schweiften umher, während Lily wie gewöhnlich eingehend ihren Traum schilderte. Dieses Mal einen ganz grässlichen,
     in dem sie – obwohl es verboten war – auf dem Rad ihrer Mutter gefahren und von den Sicherheitswächtern geschnappt worden
     war.
    Vater und Mutter hatten aufmerksam zugehört und besprachen mit Lily, wovor der Traum sie warnen wollte.
    »Vielen Dank für deinen Traum, Lily.« Dieser Standardsatz war Jonas wie von selbst herausgerutscht und er ermahnte sich, endlich
     besser bei der Sache zu sein. Mutter schilderte den Teil ihres Traumes, an den sie sich noch erinnern konnte, eine beängstigende
     Szene, in der sie wegen eines Vergehensgegen eine Regel bestraft wurde, die sie gar nicht verstand. Die anderen Familienmitglieder kamen übereinstimmend zu dem Schluss,
     dass es vermutlich daher rührte, dass sie am

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