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Hueter der Erinnerung

Titel: Hueter der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Lowry
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sich oft verhaspelte
     und Wörter verwechselte, sodass seine Sätze sich manchmal unverständlich und komisch anhörten.
    Jonas grinste, als er an jenen Morgen zurückdachte, an dem Asher wie üblich zu spät und keuchend in die Klasse gerannt kam,
     als die anderen bereits die Morgenregel sprachen. Als sich die Schüler wieder auf ihre Plätze setzten, blieb Asher stehen,
     um seine in solchen Fällen vorgeschriebene öffentliche Entschuldigung vorzubringen.
    »Ich entschuldige mich dafür, dass ich meine Lerngruppe gestört habe.« Nach seiner Standard-Entschuldigungsfloskel musste
     Asher erst noch einmal tief Luft holen, während der Lehrer und die Klasse geduldig auf seine Erklärung warteten. Die Schüler
     grinsten bereits, denn sie hatten sich Ashers Erklärungen schon oft genug angehört.
    »Ich bin rechtzeitig von zu Hause fortgegangen, aber als ich an der Fischbrutanstalt vorbeikam, haben sie dort gerade Lachse
     zerlegt. Wie gespanntblieb ich stehen und schaute ihnen zu.« Mit den Worten: »Ich bitte meine Klassenkameraden um Entschuldigung«, schloss Asher
     seine Schilderung. Er strich seine zerknitterte Tunika glatt und setzte sich.
    »Wir nehmen deine Entschuldigung an, Asher.« Einstimmig leierte die Klasse die Standardantwort herunter. Viele mussten sich
     auf die Lippen beißen, um nicht laut loszukichern.
    »Ich nehme deine Entschuldigung an, Asher«, sagte auch der Lehrer. Er lächelte. »Und ich danke dir, weil du uns wieder einmal
     den Anstoß zu einer Sprachübung gegeben hast. Du kannst nicht ›wie gespannt‹ etwas betrachten und dabei die Zeit vergessen,
     sondern ›wie gebannt‹. Allerdings wäre auch dieser Begriff etwas zu stark, um die Neugier zu beschreiben, die einen veranlasst,
     beim Lachszerlegen zuzuschauen. Besser wäre es, du würdest einfach sagen: Ich ließ mich ablenken.«
    Jonas, der schon beinahe zu Hause angekommen war, lächelte, als er daran zurückdachte. Er grübelte noch immer darüber nach,
     als er sein Rad im Fahrradständer neben der Haustür abstellte. Er kam zu dem Schluss, dass Angst wirklich nicht das richtige
     Wort für die Gefühle war, die der kommende Dezember in ihm hervorrief. Angst war ein zu starkes Wort.
    Er hatte lange auf diesen besonderen Dezember gewartet. Jetzt, da es beinahe so weit war, hatte er nicht etwa Angst, nein,
     das nicht, aber er   … er warungeduldig und gespannt, entschied er. Er konnte es kaum noch erwarten. Und er war zweifellos auch aufgeregt. Alle Elfer waren
     aufgeregt wegen des Ereignisses, das schon so nah war.
    Aber er spürte einen kleinen, nervösen Schauder, als er daran dachte, was passieren konnte.
    Besorgt
, entschied Jonas, das bin ich.
     
    »Wer möchte heute Abend mit seinen Gefühlen anfangen?«, fragte Jonas’ Vater nach dem Abendessen.
    Die allabendliche Gefühlsaussprache gehörte zu den üblichen Ritualen. Manchmal stritten sich Jonas und seine Schwester Lily,
     wer als Erster an die Reihe kam. Auch die Eltern nahmen selbstverständlich an diesem Ritual teil. Auch sie schilderten jedes
     Mal ihre Gefühle. Aber wie alle Eltern – alle Erwachsenen – zankten sie sich nicht wegen der Reihenfolge oder versuchten,
     sich vorzudrängeln.
    Das tat auch Jonas heute Abend nicht. Seine Gefühle waren an diesem Abend einfach zu verworren. Er wollte sie den anderen
     zwar mitteilen, aber er war nicht darauf erpicht, als Erster seine komplizierte Gefühlswelt zu erforschen, obwohl er wusste,
     dass seine Eltern ihm dabei helfen würden.
    »Fang du an, Lily«, sagte er großzügig, als er sah, wie Lily, die sehr viel jünger war als er – sie war erst ein Siebener   –, ungeduldig auf ihrem Stuhl hin und her rutschte.
    »Ich war sehr wütend heute Nachmittag«, begannLily. »Meine Kindergruppe hatte Besuch von Siebenern einer anderen Gemeinschaft. Wir waren auf dem Spielplatz und diese anderen
     haben sich einfach nicht an die Regeln gehalten. Einer von ihnen – ein Junge, ich weiß nicht mehr, wie er hieß – drängelte
     sich an der Rutsche ständig vor, obwohl wir anderen dort warteten. Ich war sehr wütend auf ihn und habe eine Faust geballt
     – so!« Sie hielt ihre kleine, geballte Hand hoch und die anderen schmunzelten über diese kindlich-trotzige Geste.
    »Warum, glaubst du, hielten sich die Besucher nicht an die Regeln?«, fragte Mutter.
    Lily überlegte, schüttelte dann aber den Kopf. »Ich weiß nicht. Sie benahmen sich wie   … wie   …«
    »Tiere?«, schlug Jonas lachend

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