Hüter der Macht
du Zeit genug gehabt, mich zu warnen. Warum hast du bis zum letzten Moment gewartet?«
Sandro zögerte. »Vielleicht hättet Ihr mir nicht geglaubt. Ich wollte sichergehen, dass Ihr wisst, was man Euch antun wollte.«
»Das ist eine ehrliche Antwort. Daraus schließe ich, dass du dir eine Menge Gedanken gemacht hast. Wie heißt du eigentlich?«
»Sandro Fontana.«
»Komm zu mir herunter, Sandro Fontana!«, befahl Cosimo und winkte ihn mit einer herrischen Geste zu sich.
Sandro warf die Armbrust zwischen die Büsche und ging zu ihm.
Sein Herz hämmerte in der Brust. Die dunklen Augen, die ihn wachsam anblickten und aus denen ein scharfer Verstand und eiserne Entschlossenheit sprachen, machten ihm Angst. Er spürte, dass alles, was er jetzt sagte, sein Schicksal bestimmen würde. Eben noch hatte das Leben des Medici in seiner Hand gelegen und nun war es genau umgekehrt: Sein Leben lag in dessen Hand.
»Ich nehme an, du erwartest, dass ich mich gebührend erkenntlich zeige.«
»Das steht ganz allein in Eurem Belieben, Ser Cosimo«, antwortete Sandro vorsichtig. »Ich habe getan, was ich tun musste.«
»Das klingt ja sehr geheimnisvoll.« Ein Lächeln legte sich auf Cosimos Gesicht, aber es wirkte kalt und maskenhaft. »Das musst du mir später genauer erklären. Jetzt gibt es Wichtigeres zu tun. Die Leiche dieses Schurken dort unten muss rasch unter die Erde. Oben am Weg bei den ersten Olivenbäumen steht ein kleiner Schuppen. Ich bin sicher, du weißt, welchen ich meine.«
Sandro nickte.
»Dort findest du Gerätschaften für die Garten- und Feldarbeit. Hol dir Hacke und Schaufel! Und dann verscharrst du die Leiche hinter den Ginsterbüschen. Da ist der Boden weich. Aber achte darauf, dass die Grube tief genug ist. Ich will nicht, dass Tiere sie ausgraben können. Und wenn du damit fertig bist, kommst du zum Haus. Sprich mit niemandem über das, was hier geschehen ist. Du findest mich in der Loggia. Dort reden wir weiter.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte Cosimo sich um und setzte seinen unterbrochenen Spaziergang Richtung Fluss fort. An Riccos Leiche ging er achtlos vorüber.
Sandro blickte hinter ihm her. Er fragte sich, woher Cosimo de’ Medici diese Gelassenheit nahm. Kurz überlegte er, ob es nicht klüger war, sich ebenso wie Luca aus dem Staub zu machen. Aber wollte er nicht lieber sein Leben mutig in die Hand nehmen?
9
Z ögernd näherte sich Sandro der Rückseite des Wohnhauses mit der von schlanken Säulen getragenen Loggia. Der säuberlich geharkte Kiesweg führte durch einen großen gepflegten Garten mit gleichmäßig gestutzten Hecken und prachtvollen Rosenstöcken. Ein zarter süßlicher Duft lag in der warmen Spätsommerluft.
Angesichts des gewaltigen Reichtums der Familie Medici wirkte die Villa eher bescheiden und schlicht. Auf seinen Wanderjahren durch die Lombardei und die Romagna hatte Sandro manch andere Landgüter zu sehen bekommen, gegen deren Größe und Pracht sich Cafaggiolo wie das einfache Anwesen eines mäßig begüterten Landedelmannes ausnahm.
Als er näher kam, erkannte er, dass Cosimo de’ Medici nicht allein war. Er saß mit einem jüngeren Mann, bei dem es sich laut Riccos Beschreibung nur um Cosimos jüngeren Bruder Lorenzo handeln konnte, in der Loggia. Sie waren in ein Gespräch vertieft und Sandro blieb unschlüssig stehen, weil er nicht wusste, ob er es wagen durfte, die beiden mächtigen Männer zu stören.
Es war Lorenzo, der ihn als Erster bemerkte. Er blickte mit gekrauster Stirn zu ihm herüber und sagte dann etwas zu seinem Bruder, worauf dieser ihn mit einer knappen Geste heranwinkte.
Als Sandro in den Schatten der Loggia eintauchte, hörte er, wie Cosimo zu seinem Bruder sagte: »Nein, das hat alles seine Richtigkeit, Lorenzo. Lass uns bitte eine Weile allein und sorg dafür, dass wir nicht gestört werden. Von niemandem.«
Lorenzo sah seinen Bruder verwundert an, fragte jedoch nicht nach, sondern nickte nur und zog sich ins Haus zurück.
»Komm her und setz dich!«, forderte Cosimo de’ Medici Sandro auf.
Der klopfte rasch den Staub von Hemd und Hose, dann trat er näher und nahm vorsichtig auf der Kante eines Korbstuhles Platz.
»Du hast ihn gut und tief unter die Erde gebracht?«
Sandro nickte. »Ganz so, wie Ihr es befohlen habt, Ser Cosimo.«
»Gut.« Cosimo griff zu einem Becher und füllte ihn mit einer hellen gelbgrünen Flüssigkeit aus einer schweren Kristallkaraffe. »Du wirst durstig sein. Hier, trink!«
Sandro leerte den
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