Hüter der Macht
ihn mit einem wölfischen Grinsen an.
Rasch wich Sandro seinem Blick aus und starrte durch die Zweige schräg hinunter auf die Biegung, um die Cosimo de’ Medici jeden Augenblick kommen musste. Und da hörte er auch schon das Geräusch von Schritten.
Nur einige Dutzend rasende Herzschläge später kam Cosimo um die Biegung. Ahnungslos trat er aus dem kleinen Hohlweg in ihr Blickfeld. Er war von mittlerer Statur, sah ziemlich mager aus, als gönnte er sich bei Tisch nur wenig, und hatte eine leicht olivfarbene Haut. Seine Nase war lang, kräftig und ging vorn in die Breite. Seine Lippen waren recht fleischig und um Augen und Mund herum zeigten sich erste Falten.
Sandro war plötzlich übel zumute und er fürchtete, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Er hielt den Atem an, folgte Cosimo mit starrem Blick und fest zusammengepressten Lippen. Dann sprang er auf den Weg und legte an.
8
A us den Augenwinkeln sah Sandro, wie Cosimo de’ Medici wie erstarrt stehen blieb, als er aus den Büschen hechtete.
Jetzt galt es!
Doch statt die Armbrust auf den Rücken des Opfers zu richten, schwenkte Sandro seine Waffe in Riccos Richtung und schrie: »Komm raus und lass die Armbrust fallen, wenn du nicht willst, dass du heute Morgen dein Leben verlierst! Du weißt, ich bin der bessere Schütze! Also versuch es gar nicht erst. Und du lässt deinen Dolch stecken, Luca! Es wird keinen hinterhältigen Mord an Cosimo de’ Medici geben, dafür werde ich sorgen!«
Was dann geschah, dauerte nur wenige Augenblicke, aber Sandro kam es vor, als würde die Zeit plötzlich langsamer voranschreiten.
Cosimo de’ Medici zuckte zusammen, fuhr herum und starrte mit offenem Mund zu ihm herüber. Aber in seinen Augen standen weder Entsetzen noch Todesangst, sondern vielmehr schiere Verwunderung.
Aus dem Gestrüpp, wo Luca kauerte, kam ein kurzer Aufschrei.
Ricco gab seine Deckung preis und trat auf den Weg. Hasserfüllt starrte er Sandro an. »Du dreckiger Verräter!«
»Wirf die Armbrust auf den Boden und mach, dass du von hier …«
Weiter kam Sandro nicht.
Ricco schrie: »Fahr zur Hölle!« und riss seine Armbrust hoch.
Geistesgegenwärtig machte Sandro einen Schritt zur Seite. Dabei stieß er gegen einen Felsbrocken und geriet ins Stolpern. Unwillkürlich drückte er den Hahn seiner Armbrust durch, und während der Bolzen aus Riccos Waffe an ihm vorbeisauste, traf sein Bolzen und drang Ricco tief in den Hals.
Mit einem gurgelnden Schrei kippte der Mann nach hinten. Er ließ die Armbrust fallen und griff sich an den Hals, doch es war schon zu spät. Er stürzte zu Boden und rollte über den Pfad die kleine Anhöhe hinunter. Am Fuß des Hügels blieb er leblos im Sand liegen.
Einen Augenblick lang herrschte eine unwirkliche Stille. Sogar die Vögel in den Bäumen schienen ihr Zwitschern unterbrochen zu haben.
Sandros Blick jagte hinüber zu Luca, der wie festgefroren zwischen zwei Sträuchern stand, zu seinen Füßen den Dolch. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf Riccos leblosen Körper, sein Mund offen wie zu einem stummen Schrei. Plötzlich löste sich seine Erstarrung und er stürzte davon.
Auch Cosimo de’ Medici hatte sich nicht gerührt. Nach einem schnellen Blick zu dem fliehenden Luca hinüber richtete er seine Augen wieder auf Sandro.
»Bist du nun mein Lebensretter oder nur ein schlechter Bravo, den plötzlich der Mut verlassen hat?«, fragte er fast beiläufig und brach damit die schwer lastende Stille, die sich über den einsamen Ort gelegt hatte. Seine Stimme klang so ruhig, als hätte sein Leben nicht eben noch an einem seidenen Faden gehangen.
»Ich habe nie vorgehabt, mich an den Plan der anderen zu halten und zum Meuchelmörder zu werden, Ser Cosimo«, antwortete Sandro. Er hatte Mühe, das Zittern in seiner Stimme zu unterdrücken. Sein Blick wanderte zu dem toten Ricco Talese am Fuß des Hügels. Sein Bolzen hatte ihn getötet. Das hatte er nicht gewollt. Ricco hätte wissen müssen, dass er, Sandro, der bessere Armbrustschütze war. Warum hatte er seine Warnung nicht ernst genommen?
»Aber du hast von ihrem Plan gewusst, vermutlich schon lange vor dem heutigen Morgen«, sagte Cosimo.
Sandro nickte nur. Sein Blick war immer noch auf den Toten geheftet.
»Wie lange?«
Sandro antwortete nicht.
»Sieh mich an, wenn ich mit dir rede. Dem da unten kannst du sowieso nicht mehr helfen.« Cosimos Stimme klang auf einmal kalt und scharf.
Sandro gehorchte. »Seit gut einer Woche.«
»Dann hättest
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