Hüter der Macht
Sicherheit willen«, erwiderte Sandro. »Das liegt doch wohl auf der Hand, oder? Wer immer dieses Mordkomplott ausgeheckt hat, könnte ja auf den unfreundlichen Gedanken kommen, später auch uns aus dem Weg zu räumen. Tote Zeugen reden nämlich nicht und können auch nicht zu Erpressern werden. Wer sagt mir, dass wir nachher wirklich unser Geld bekommen und nicht auch um unser Leben fürchten müssen?«
»Da ist was Wahres dran!« Lucas Augenlider zuckten immer stärker. »Was ist, wenn auch wir nachher in einen Hinterhalt geraten?«
»Hört endlich auf!«, knurrte Ricco. »Mein Auftraggeber wird Wort halten. Er weiß, dass er sich auf mich verlassen kann, und ich weiß, dass ich mich auf ihn verlassen kann. Und das ist alles, was ihr wissen müsst. Wenn wir unser Geld kassiert haben, verschwinden wir aus der Toskana, so wie ich es abgemacht habe.«
»Und was ist, wenn er nicht allein kommt? Wenn einer seiner Söhne dabei ist? Dann weiß ich nicht, ob wir ihn so einfach …«, warf Luca vorsichtig ein.
Ricco verdrehte die Augen. »Hör endlich auf! Seine Söhne sind noch Kinder! Hast du je einen von ihnen schon so früh am Morgen an seiner Seite gesehen?«
»Nein, aber es könnte ja sein, dass …«
Weiter kam Luca nicht, denn in diesem Augenblick gab Sandro ein scharfes Zischen von sich. Es war das verabredete Zeichen. Ricco und Luca spähten durch das Gestrüpp. Tatsächlich! Am Ende eines Olivenhains, ungefähr fünfzig Schritte von ihrem Versteck entfernt, dort, wo sich der Weg gabelte und auf der rechten Seite die Umrisse eines kleinen Ziegelschuppens zwischen den Bäumen zu erkennen waren, tauchte seine unverwechselbare Gestalt auf.
Wie immer trug Cosimo de’ Medici ein schlichtes, knöchellanges taubengraues Gewand mit weiten Ärmeln. Auf seinem Kopf saß eine leichte dunkelbraune Kappe. Wie er so über den Pfad schritt, hätte man ihn für einen einfachen Bauern halten können.
Aber er war kein Bauer. Er war einer der reichsten und mächtigsten Männer weit und breit. Und er war es, auf den die drei es abgesehen hatten. Riccos Auftraggeber zahlten ihnen ihren fürstlichen Lohn, wenn sie das Oberhaupt des Hauses Medici töteten.
Recht gemächlichen Schrittes und gedankenversunken kam Cosimo über den Weg. Dieser schmale sandige Pfad schnitt auf ihrer Höhe durch eine kleine Hügelgruppe, machte zwischen den Anhöhen eine scharfe Biegung und führte dahinter zum Flusslauf hinunter.
»Na endlich!«, flüsterte Ricco und griff zu seiner Armbrust. »Also los! Ihr wisst, was ihr zu tun habt! Und denkt dran: Es muss schnell und lautlos gehen!«
Luca und Sandro nickten stumm. Viel war es nicht, was sie bei dem Mordanschlag zu beachten hatten. Und sie waren ihren Plan oft genug durchgegangen, um zu wissen, welche Position jeder von ihnen einzunehmen und welche Aufgabe er auszuführen hatte.
Ihr Plan sah vor, dass Sandro sich mit Ricco zehn Schritte hinter der Biegung auf der Flussseite des Pfades in Stellung brachte und sie dabei einen Abstand von gleichfalls zehn Schritten einhalten sollten. Sowie Cosimo de’ Medici um die Biegung gekommen und einige Schritte an Sandro vorbeigegangen war, sollte er als der bessere Schütze zuerst aus seinem Versteck auftauchen und dem Medici seinen Bolzen in den Rücken jagen. Worauf Ricco ihm sogleich von vorn das zweite Geschoss in die Brust setzen wollte. Lucas Aufgabe bestand darin, sich auf der anderen Seite des Weges versteckt zu halten. Ihm oblag es, von dort hervorzustürzen und Cosimo mit seinem Dolch den Rest zu geben, sollten die beiden Armbrustbolzen ihr Opfer nur verwundet haben.
Es war ein heimtückischer Plan, ein Plan, bei dem nichts schiefgehen konnte.
Eine lange Reihe von brusthohen Ginsterbüschen, die auf einer kleinen Bodenerhebung fast zu einer Hecke zusammengewachsen waren, bot Sandro und Ricco auf der Flussseite des Weges eine ideale Deckung. Mit zehn Schritten Abstand kauerten sie sich dahinter, spannten die Armbrüste und legten Bolzen ein. Luca war hinter einem Gestrüpp auf der gegenüberliegenden Seite des Weges verschwunden.
Sandro hielt seine Armbrust so fest umklammert, dass die Knöchel seiner Hände weiß hervortraten. Er spürte, wie sein Herz raste. Das Blut rauschte in seinen Ohren wie ein Wildbach zur Schneeschmelze. Er schloss kurz die Augen und flüsterte beschwörend vor sich hin: »Heiliger Erzengel Michael, stehe mir bei!«
Als er die Augen wieder öffnete und sein Blick unwillkürlich hinüber zu Ricco ging, sah dieser
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