Hüter der Macht
Becher in einem Zug. Die Limonade war herrlich kühl und sie schmeckte köstlich.
Das Verscharren der Leiche war ein hartes Stück Arbeit gewesen. Er hatte die ganze Zeit versucht, nicht daran zu denken, dass er es gewesen war, der Ricco getötet hatte. Wie ein schweres Gewicht hatte diese Schuld auf seiner Brust gelegen und ihm das Atmen schwer gemacht. Noch immer wollte es nicht weichen, auch wenn er sich sagte, dass er in Notwehr gehandelt hatte. Ricco hätte nicht gezögert, ihn zu töten.
»Also, wer steckt hinter dem Anschlag?«, fragte Cosimo unvermittelt.
Sandro zuckte zusammen. »Ich weiß es nicht, Ser Cosimo. Obwohl ich immer wieder versucht habe, es in Erfahrung zu bringen.«
Er konnte nicht erkennen, ob Cosimo enttäuscht war. Seine Miene blieb so kühl und beherrscht wie unten am Fluss, als er erkannt hatte, dass er auf seinem Spaziergang in einen Hinterhalt geraten war. »Dann erzähl mir, wann und wie du von dem Mordkomplott erfahren hast.«
Sandro berichtete in kurzen knappen Sätzen, wie er Luca, seinen Freund aus Ferrara, wiedergetroffen und durch ihn Ricco kennengelernt hatte, der ihn für den Mord angeworben hatte. »Das ist alles«, sagte er bedrückt. »Es tut mir leid, dass ich Euch nichts über die Hintermänner sagen kann.«
»Das ist in der Tat bedauerlich. Aber gut, lassen wir das.« Cosimo blickte einen Augenblick lang in die Ferne, bevor er fortfuhr: »Vorhin hast du gesagt, ich habe getan, was ich tun musste. Was meinst du damit? Warum hast du dein Leben für mich riskiert?«
»Weil ich das Eurer Familie schuldig war.«
Verblüfft hob Cosimo die Augenbrauen. »Du bist unserer Familie etwas schuldig? Wofür, Sandro Fontana?«
»Weil Euer Vater meiner Mutter und mir das Leben gerettet hat.«
Jetzt war es heraus. Das, was Sandro in der Kirche beim Gebet umgetrieben hatte, war etwas, das er schon seit Langem tief in seinem Herzen bewahrte. Sein Vater hatte es ihm auf dem Sterbebett erzählt, weil sein Sohn wissen sollte, in welcher Schuld sein Leben stand.
Cosimo sah ihn erwartungsvoll an.
»Es war vor siebzehn Jahren.« Sandro räusperte sich. »Vielleicht erinnert Ihr Euch, in Florenz war die Pest ausgebrochen. Meine Eltern sind aus der Stadt geflohen. Sie wollten nach Ferrara, wo die Familie meiner Mutter wohnt. Zufällig kamen sie an Cafaggiolo vorbei. Meine Mutter …« Er stockte.
»Sprich weiter!«
»Meine Mutter war nicht bei guter Gesundheit und sie stand kurz vor der Niederkunft. Sie konnte einfach nicht mehr weiter«, fuhr Sandro fort. »Und da hat Euer Vater dafür gesorgt, dass meine Eltern für einige Tage Unterkunft in einem Eurer Landarbeiterquartiere erhielten. Er hat sogar einen Arzt nach ihr sehen lassen. Noch am selben Tag brachte sie einen Sohn zur Welt …«
»Und dieser Sohn bist du, habe ich recht?« Cosimos Stimme klang auf einmal weich und freundlich.
Sandro nickte. »Mein Vater sagte, dass es eine schwere Geburt war und dass weder meine Mutter noch ich ohne den kundigen Beistand des Arztes die Nacht überlebt hätten.«
»Sieh an, Sandro Fontana, du bist also hier auf Cafaggiolo zur Welt gekommen!«, sagte Cosimo staunend. »Dann bist du also Florentiner, ein Sohn unserer stolzen Republik.«
»Von Geburt ja, aber ich habe Florenz noch nie zu Gesicht bekommen, geschweige denn, dass ich schon einmal dort gewesen wäre. Ich bin in Ferrara aufgewachsen und habe dort auch die meiste Zeit meines Lebens verbracht.«
»Und warum bist du nicht mehr in Ferrara?«
»Mein Vater hat in Florenz einen bescheidenen Tuchhandel betrieben und er ging diesen Geschäften auch in Ferrara nach. Aber er hatte es sehr schwer, sich einen Namen zu machen und sich gegen die alteingesessenen Händler zu behaupten, sodass es uns nicht sehr gut ging. Und als dann meine Mutter bei der Geburt meines Bruders starb, zerstörten Kummer und geschäftliche Sorgen bald auch die Gesundheit meines Vaters und brachten ihn ins Grab.« Wehmut hatte sich in Sandros Stimme geschlichen und er biss sich auf die Lippe, um gegen die Tränen anzukämpfen.
»Und dein Bruder? Was ist aus ihm geworden?«
Sandro schluckte. »Auch er ist bei der Geburt gestorben.«
Cosimo nickte nur.
»Die Verwandten meiner Mutter hatten schon genug hungrige Mäuler zu stopfen. Deshalb redeten sie mir ein, ich hätte die Berufung zum Klosterleben, und luden mich kurzerhand bei den Dominikanern ab.«
Ein Schmunzeln zuckte um Cosimos Mundwinkel. »Aber das fromme Leben hinter Klostermauern hat dir wohl nicht
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