Hüter des Todes (German Edition)
sich Rush und trat an die gegenüberliegende Wand. «Nein, bist du nicht.» Mit einer fließenden Bewegung zog er die Jalousien hoch und gab den Blick auf ein Fenster frei, das vom Boden bis zur Decke und von einer Wand bis zur anderen reichte. Dahinter lag die Landepiste, die Logan auf dem Weg hierher bemerkt hatte. Und von seinem Aussichtspunkt hier oben konnte er noch mehr sehen: Die Piste lag nicht mehr verlassen da.
Ein schlanker, glänzender Learjet 85 stand dort in der Mittagssonne.
Rush zeigte mit dem Finger auf den Jet.
«Wenn du an Bord von dem da bist», sagte er.
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2
Fünf Personen befanden sich in der Maschine: Eine Zwei-Mann-Crew, dazu Logan, Rush und ein Mitarbeiter von CTS, der zwei Laptops und mehrere Ordner voller Laborergebnisse im Gepäck hatte. Nachdem der Jet gestartet war, entschuldigte sich Ethan Rush bei Logan und ging nach hinten, um sich mit seinem Mitarbeiter zu besprechen. Logan angelte die neueste Ausgabe von Nature aus seinem Seesack und blätterte sie durch, auf der Suche nach neuen Entdeckungen – oder Anomalien –, die vielleicht von beruflichem Interesse für ihn sein konnten. Dann wurde er schläfrig, legte das Magazin zur Seite und schloss die Augen. Er wollte nur fünf oder zehn Minuten dösen, doch als er erwachte, war es draußen dunkel, und Logan verspürte den desorientierten Schleier eines langen, tiefen Schlafes. Rush beobachtete ihn von seinem Platz gegenüber.
«Wo sind wir?», fragte Logan.
«Im Landeanflug auf Heathrow.» Er nickte in Richtung seines Mitarbeiters, der immer noch hinten saß. «Sorry deswegen – ich weiß wie du nicht genau, wie lange ich weg sein werde, und es gibt ein paar Dinge zu regeln, die nicht auf meine Rückkehr warten können.»
«Kein Problem.» Logan spähte aus dem Fenster auf die Lichter von London, die unter ihnen ausgebreitet lagen wie ein gigantischer gelb gesprenkelter Teppich. «Ist London das Ziel unserer Reise?»
Rush schüttelte den Kopf und lächelte. «Weißt du, ich fand es ziemlich merkwürdig, dass du, ohne zu fragen, in das Flugzeug gestiegen bist. Ich dachte, du würdest zumindest zweimal hingucken.»
«In meinem Job ist man sehr viel unterwegs. Ich habe immer einen Reisepass dabei.»
«Ja, das habe ich in einem Artikel über dich gelesen. Deswegen habe ich dich auch nicht extra gebeten, einen mitzubringen.»
«In den vergangenen sechs Monaten war ich ständig in anderen Ländern. Sri Lanka, Irland, Monaco, Peru, Atlantic City …»
«Atlantic City ist kein anderes Land», sagte Rush lachend.
«Hat sich aber so angefühlt.»
Sie landeten und rollten zu einem privaten Hangar, wo der CTS-Mitarbeiter mit den beiden Laptops und den Ordnern ausstieg, um einen Linienflug zurück nach New York zu nehmen. Rush und Logan aßen eine Kleinigkeit zu Abend, während der Jet betankt wurde. Als sie erneut in der Luft waren, setzte sich Rush neben Logan, auf dem Schoß eine schwarze Ledertasche.
«Ich werde dir jetzt ein Bild zeigen», sagte er. «Ich glaube, danach wirst du die Notwendigkeit der Geheimhaltung verstehen.» Er öffnete die Tasche und kramte ein wenig darin, dann zog er eine Ausgabe von Fortune hervor und hielt sie Logan hin.
Auf dem Titelblatt war ein Porträt eines Mannes Mitte fünfzig zu sehen. Das dichte, vorzeitig schneeweiß gewordene Haar war in der Mitte gescheitelt – eine eigenartig anachronistische Frisur, die Logan an einen Internatsschüler einer teuren Privatschule aus der viktorianischen Epoche erinnerte, Eton oder Harrow oder Rugby. Er sah dünn aus, was durch die starke Hintergrundbeleuchtung noch betont wurde, und die weichen, beinahe weiblichen Züge seines Gesichts standen in scharfem Kontrast zu der ungewöhnlich verwitterten Haut, gegerbt von zu viel Sonne oder Wind oder beidem. Obwohl der Mann auf dem Foto nicht lächelte, lag ein amüsiertes Glitzern in seinen blauen Augen, als würde er über einen heimlichen Scherz schmunzeln, den mit der Welt zu teilen er nicht die geringste Neigung verspürte.
Logan erkannte den Mann wieder – und wie Rush versprochen hatte, wurde die Heimlichtuerei plötzlich verständlich. Das Gesicht war das von H. Porter Stone, ohne jeden Zweifel der berühmteste – und mit weitem Abstand reichste – Schatzsucher der Welt. Auch wenn die Bezeichnung ihm wahrscheinlich nicht gerecht wurde – Stone war studierter Archäologe und hatte an der UCLA unterrichtet, bevor er die beiden Schiffe der Spanischen Armada entdeckt hatte,
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