Hüter des Todes (German Edition)
um sie den Flammen zu überlassen – insbesondere die große Menge an Papyri, die wir gefunden haben. Sie enthalten unschätzbare Informationen – selbst wenn sie mehr Fragen aufwerfen, als sie beantworten.»
«Sie meinen, warum Narmer seiner Zeit so weit voraus war?»
«Ja. Warum ist er der Urheber so vieler Zeremonien, so vieler Brauchtümer, so vieler Kunstwerke, von denen wir bisher dachten, dass sie erst viele Jahrhunderte später entwickelt wurden? Und was wurde in der Zwischenzeit aus ihnen? Warum waren sie für so viele Jahrhunderte verschollen?»
«Ich könnte mir eine Antwort auf die letzte Frage denken», sagte Logan. Er deutete auf das Wadjet, das sie noch immer umklammert hielt.
Sie nickte langsam. «Wenigstens muss ich mir keine Sorgen um meinen Job machen. Ich habe Jahre der Forschung vor mir.»
Eine weitere, längere Pause entstand, in der keiner von beiden etwas sagte. Die Sonne sank tiefer, und schließlich verschwand sie hinter dem Horizont.
«Warum hat sie das getan?», flüsterte Christina.
Er drehte sich zu ihr. Ihr Gesicht war in der wachsenden Dunkelheit kaum zu sehen.
«Was ist mit Jennifer Rush passiert?», fuhr sie fort.
Für einen Moment sagte Logan nichts. Dann begann er zu antworten – es war die Antwort, die ihm, wie ihm nun klarwurde, unbewusst schon während der ganzen Fahrt nach Norden durch den Kopf ging. Die bequeme, orthodoxe Antwort.
«Jennifer hatte gewisse, sagen wir, psychische Probleme», begann er. «Ethan hat niemandem davon erzählt. Er war überzeugt, dass ihre einzigartige Gabe und ihre Fähigkeit, viel längere Nahtod-Erfahrung erleben zu können als üblich, sie für die Expedition so wertvoll machten, dass die Nachteile überwogen wurden.»
«Wertvoll für sein kostbares Center, meinen Sie wohl», sagte Christina bitter. «Überlegen Sie, welche Publicity das alles für ihn bedeutet hätte.»
«Nein», widersprach Logan. «Ich glaube nicht, dass er so gedacht hat. Er hat sie geliebt – er hat sie von ganzem Herzen geliebt. Aber ich glaube, die Leidenschaft für seine Forschung hat ihn geblendet. Er hat nicht gesehen – oder sich geweigert zu sehen –, welchen Preis Jennifer für ihre Übergänge zahlen musste.»
«Dann war er blind. Sogar ich konnte es sehen, das eine Mal, als ich dabei war. Wenn Ethan wusste, dass seine Frau emotional nicht im Gleichgewicht war, hätte er sie nicht zwingen dürfen, so etwas zu tun. Nicht ein einziges Mal, geschweige denn wieder und wieder. Insbesondere nicht nach ihrem eigenen persönlichen Trauma – ihrem vierzehnminütigen klinischen Tod. Kein Wunder, dass sie am Ende glaubte, ein Geist aus dem Reich der Toten hätte von ihr Besitz ergriffen.»
Als Logan nicht antwortete, stieß sie einen tiefen Seufzer aus. «Als wir dabei zugesehen haben, wie Ethan seine Frau in Hypnose versetzte, als er ihr all diese Fragen gestellt hat … ich frage mich immer wieder, wie sie sich dabei gefühlt haben mag. Ich meine, auch hinterher, nachdem sie zurückgekommen war. Die arme Jennifer.»
Logan schwieg immer noch. Er erinnerte sich an eine frühere Unterhaltung – eine ganz andere Unterhaltung –, die er mit Ethan Rush geführt hatte. Ich habe darüber nachgedacht, was du gesagt hast , hatte der Arzt zu ihm gesagt. Dass Jennifer so lange hirntot war und dass ihre Nahtod-Erfahrung so lange gedauert hat, dass sie möglicherweise ihre Seele verloren haben könnte.
Vierzehn Minuten …
«Zurückgekommen war?» , sagte er schließlich. «Wir wissen nicht, was zurückgekommen ist.» Doch seine Stimme war so leise, dass sie von dem Brummen der Maschine und dem Plätschern des Wassers verschluckt wurde und Christina nichts davon hörte.
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Anmerkungen des Autors
Hüter des Todes basiert auf zahlreichen gesicherten Fakten. Dennoch werden Ägyptologen bemerken, dass ich nicht gezögert habe, Daten, Riten, Anschauungen und andere Facetten der altägyptischen Geschichte zu ändern, wo dies meiner Geschichte dienlich war. Und während der Sudd zwar ein höchst realer Ort ist, habe ich auch eine Reihe von geographischen, politischen und zeitlichen Aspekten geändert und den Sumpf zurückverwandelt in jenen unwirtlichen und furchterregenden Ort, den Alan Moorehead in The White Nile – Die Quellen des Nil so anschaulich beschreibt.
Wie dem auch sei, Hüter des Todes ist eine fiktive Geschichte, und sämtliche Figuren, Ereignisse und Einzelheiten der Handlung sind frei erfunden.
Viele Personen haben dabei
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