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Hüter des Todes (German Edition)

Hüter des Todes (German Edition)

Titel: Hüter des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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Logan. «Ein Wesen aus Licht.»
    «Ja. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, jedenfalls nicht deutlich, dazu war das Licht zu grell. Ich dachte, dass es vielleicht ein Engel wäre, aber es hatte keine Flügel. Ich spürte irgendwie, dass es mich anlächelte.»
    «Ja», flüsterte Logan. Er konnte es ebenfalls erkennen, verschwommen und undeutlich: eine schimmernde, spektrale Vision von überirdischer Schönheit. Von diesem Wesen ging in endlosen Wellen die grenzenlose Liebe aus, die Jennifer gefühlt hatte.
    «Ich spürte, wie es zu mir sprach. Nicht laut, sondern direkt in meinem Kopf. Es stellte mir eine Frage.»
    «Können Sie mir verraten, was das für eine Frage war?», sagte Logan leise, doch er konnte sich die Antwort bereits denken.
    «Es fragte mich, ob ich zufrieden war mit dem, was ich aus meinem Leben gemacht hatte. Ob ich genug getan hatte.»
    Logan nickte. Bis jetzt stimmte alles, was Jennifer Rush berichtet hatte – die außerkörperliche Erfahrung, der dunkle Tunnel, das Wesen aus Licht, die Grenze, die Frage nach der Zufriedenheit mit dem bisherigen Leben –, mit den Berichten anderer Personen überein, die eine Nahtod-Erfahrung gemacht hatten. Er warf einen flüchtigen Blick auf den Zeitmesser. Mehr als zehn Minuten waren vergangen. Mehr Zeit als bei nahezu jeder anderen bekannten Nahtod-Erfahrung, die in den Unterlagen des Centers verzeichnet war – wie er aus einem flüchtigen Überfliegen der CTS-Dokumente wusste.
    «Das Wesen wiederholte seine Frage», sagte Jennifer in diesem Moment. «Und als es dies tat, sah ich mein Leben – angefangen bei meiner frühesten Kindheit, bei Dingen, die ich längst vergessen geglaubt oder an die ich seit Jahrzehnten nicht mehr gedacht hatte – vor mir vorbeiziehen. Und dann …» Sie schluckte mühsam. «Und dann fing es an.»
    Logan drückte ihre Hände behutsam. «Erzählen Sie mir, was anfing, Jennifer», sagte er.
    Trotz der relativen Dunkelheit im Zimmer sah er, wie sich die wunderschönen Züge ihres ovalen Gesichts verspannten. «Das Wesen … es sagte ein einziges Wort. ‹Unzureichend.› Und dann … dann veränderte es sich.»
    Ihr Atem wurde angestrengt und gehetzt.
    «Entspannen Sie sich, Jennifer», sagte Logan. «Beschreiben Sie mir, wie sich das Wesen verändert hat. Wie sah es aus?»
    «Zuerst war es nur eine Empfindung. Ich spürte, wie die endlose, bedingungslose, unaussprechliche Liebe erlosch. Genauso wie die Wärme, das Wohlbefinden, die Freude. Alles geschah ganz langsam, ganz subtil, sodass ich es nicht sofort bemerkte. Aber als es mir dann auffiel, fühlte ich mich plötzlich … nackt . Und dann wurde das Wesen … dunkel. Das helle Licht wurde schwächer, und schließlich konnte ich auch sein Gesicht erkennen.»
    Für einen Moment erschien ein Bild vor Logans geistigem Auge, ein fratzenhaftes Gesicht, stark behaart, grinsend, ziegenartig.
    Jennifers Atem ging schneller. «Plötzlich veränderte sich die Grenze vor mir ebenfalls. Sie war nicht länger golden. Sie wogte, schien irgendwie nass geworden zu sein. Sie sah aus wie ein Vorhang aus Blut. Und dann … dann schmolz sie einfach weg.» Ihre Stimme fing an zu zittern. «Und hinter der Grenze … hinter der Grenze …»
    «Sprechen Sie weiter.» Logans Worte waren kaum mehr als ein Krächzen.
    «Dahinter lag das Nichts. Ein schreiendes, gellendes Nichts. Ich versuchte wegzurennen, doch ich wurde angezogen, ich konnte mich nicht wehren. Und dann war es zu spät. Es gab kein Licht mehr, keine Luft mehr, und ich konnte nicht mehr atmen. Überall ringsum waren Körper … überall. Unsichtbar, schlüpfrig glitten sie an mir vorbei, während sie schrien, unablässig schrien. Ich war eingeschlossen von Leibern, konnte mich nicht bewegen. Ich spürte …» Sie ächzte jetzt. «Ich spürte einen furchtbaren Sog. Einen Sog in mir, tief in mir selbst, als würde meine Seele aus mir herausgesaugt … und diese Kreatur lachte ununterbrochen, und lachte und lachte … und dann spürte ich den Rand des … des … o mein Gott.» Sie schlug die Hände vor das Gesicht.
    Und plötzlich spürte Logan sie wieder: die bösartige, dämonische Präsenz, die unendliche Feindseligkeit und den Hass und die Wut. Es war ein so körperliches Gefühl, dass es Logan beinahe tief in seinen Sitz zurückstieß.
    «Großer Gott!», rief er aus und zuckte heftig zurück, wobei er den Kontakt mit Jennifer unterbrach.
    Sie ächzte auf. Für einen Moment herrschte Stille in Logans Büro, und dann brach sie in ein

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