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Hüter des Todes (German Edition)

Hüter des Todes (German Edition)

Titel: Hüter des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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Jahrhunderte voraus gewesen und als wären sein Wissen, seine Praktiken, seine Erkenntnisse und seine Erleuchtungen mit ihm gestorben und erst tausend Jahre später wiederauferstanden, als die Pyramidenbauer die Geschicke des Landes lenkten …
    Sie vertrieb die wirren Gedanken mit einem unwilligen Kopfschütteln und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf das, was sie im Display der Videokamera sah. Auf den beiden gegenüberliegenden Schreinen lagen zahlreiche Opfergaben: Amulette, wunderschön bearbeitete Feuersteinmesser, Figuren aus Alabaster, Elfenbein und Ebenholz. Doch das bemerkenswerteste Objekt im ganzen Raum war zweifelsohne das in der Mitte der Kammer: ein riesiger Sarkophag aus einem höchst seltenen blassblauen Granit, unbemalt und – auch das höchst ungewöhnlich – perfekt erhalten, in viel besserem Zustand beispielsweise als die gesprungene Außenhülle von König Tutanchamuns Sarg. Der Granit war behauen worden und nun von einem filigranen und detailreichen Relief geziert. Am Kopf des Sarkophags stand die riesige Statue eines Falken – die Flügel weit ausgebreitet, die stilisierten Füße wie Hände ausgestoßen in Richtung fünf und sieben Uhr –, der zeremoniell Wache hielt über den Leichnam des Königs.
    Die anderen aus der Gruppe waren die ganze Zeit über still gewesen, als hätte es ihnen die Sprache verschlagen angesichts so viel Pracht. Jetzt trat Stone einen Schritt vor. Er ging ein wenig steif, als hätte er Holzbeine. Er unternahm eine kurze Inspektion der Kammer, dann näherte er sich den vier goldenen Kästchen.
    «Diese Kästchen vor den Kanopenkrügen», sagte er abwesend, mehr zu sich selbst als zu den anderen. «Von etwas Derartigem habe ich noch nie gehört.»
    Er kniete vor dem am nächsten stehenden nieder, untersuchte es behutsam, berührte es hier und da mit einer latexgeschützten Hand. Dann hob er unendlich behutsam den Deckel. Tina hielt den Atem an. Im Innern der Box funkelte und glänzte eine verschwenderische Pracht von Edelsteinen, Opale, Jade, Diamanten, Smaragde, Perlen, Rubine, Saphire, Katzenaugen … ein Schatz von geradezu obszöner Opulenz.
    «Gütiger Gott …», murmelte March.
    Tina hatte die Videokamera abgesetzt, um einen genaueren Blick auf die Preziosen zu werfen. «Die Hälfte von diesem Zeug war bei den alten Ägyptern nicht mal bekannt!», sagte sie «Zumindest nicht in dieser frühen Epoche.»
    «Narmer muss über Handelsrouten verfügt haben, die nach dem Ende seiner Herrschaft einfach zusammengebrochen sind», mutmaßte Stone mit leiser Stimme.
    Christina befeuchtete die trockenen Lippen mit der Zunge. Die Pracht war so überwältigend, dass es völlig unmöglich schien, das alles jemals begreifen zu können.
    Stone blickte sie an. «Was ist mit diesen beiden Schreinen?», fragte er. «Eine solche Anordnung habe ich noch nie gesehen.»
    «Ich muss sie mir genauer ansehen», wich sie aus. «Aber ich könnte mir vorstellen, dass sie vielleicht eine doppelte Funktion haben. Sie dienen nicht nur als Schrein, sondern sie haben zugleich eine symbolische Bedeutung. Sie stehen für die größte Prüfung, die Narmer auf seiner Reise durch die Unterwelt bestehen musste – die Halle der zwei Wahrheiten. Vorausgesetzt, dieses Glaubenssystem war zu dieser frühen Zeit bereits entwickelt. Jedenfalls wirken sie auf mich tatsächlich einzigartig – ihr doppelter Zweck ist in den folgenden Dynastien mit ziemlicher Sicherheit verlorengegangen.»
    «Symbolisch, sagen Sie?», wiederholte Stone.
    «Als wären sie benutzt worden für eine Art Simulation der Halle der Zwei Wahrheiten. Ein Trockenversuch, sozusagen.»
    «Aber das ist beispiellos …!», warf March ein.
    Christina breitete die Arme aus und zeigte um sich, als wollte sie erwidern: Gilt das nicht für alles hier?
    Die Arbeiter waren inzwischen damit beschäftigt, den Hebezug aus Edelstahl zusammenzubauen. Der Wachmann befestigte die batteriebetriebene Winsch, und dann, auf ein Nicken von Stone hin, aktivierte er den Motor. Ein Brüllen erfüllte die Luft, das sogleich wieder zu einem dumpfen Grummeln abebbte. Die Arbeiter befestigten die Haken des Hebezugs an den Ecken des Sarkophagdeckels und hoben in Schneckengeschwindigkeit den Deckel vom Sarkophag. Sie schwangen die schwere Steinplatte beiseite und setzten sie behutsam auf dem Boden ab.
    Der Wachmann schaltete den Motor ab, und alle, selbst die Arbeiter, traten näher heran. Das Innere des Sarkophags war bedeckt von einem Schleier aus unbestimmtem

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