Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
hatte, mit ihm über die Frau seiner Träume zu reden. Jean-Claude hatte bisher hartnäckig geschwiegen und es war ganz einfach nicht seine Art, ein freundliches Gespräch zu führen, ganz gleich, wie sehr er darauf brennen mochte, mit jemandem über Judith und die Fotografien zu reden. Er hatte nur deshalb etwas preisgegeben, weil er etwas dafür haben wollte.
Stefan drehte sich um, lehnte sich mit einer Hüfte lässig an die Pritsche und zog eine Augenbraue hoch.
»Warum hast du mich nicht getötet? Du wusstest, dass ich die Prügel und die Angriffe auf dich angeordnet habe.«
Stefan achtete sorgsam darauf, sich nicht das Geringste ansehen zu lassen. Er zuckte die Achseln. »Damit war kein Geld zu machen. Ich will hier raus. Ich bin hergekommen, um etwas zu erledigen, und sowie ich meinen Auftrag erfüllt habe, komme ich hier raus.«
Jean-Claudes Augenbrauen schossen in die Höhe. »Einen Auftrag?«, wiederholte er.
»Immer mit der Ruhe, Rolex, du bist nicht die Zielscheibe.« Stefan zwinkerte ihm zu. »Ich kann nicht behaupten, es sei mir nicht ein- oder zweimal durch den Kopf gegangen, aber dafür kriege ich keine Provision.«
»Aber du brächtest mich um, wenn dich jemand dafür bezahlen würde.«
»Wir sind nicht direkt Freunde.« Diesmal war die Belustigung aus seiner Stimme herauszuhören.
»Ich habe dich unterschätzt«, gab Jean-Claude zu.
Stefan stellte mit Genugtuung fest, dass dem Gangsterboss gerade klar wurde, wie nah er dem Tod gewesen war. All diese Nächte, in denen Stefan wie eine tödliche Viper keine zwei Meter von ihm gelauert hatte. »Das tun alle.« Auch jetzt legte Stefan keine Böswilligkeit an den Tag.
Jean-Claude musterte das vernarbte Gesicht. »Einen Mann wie dich könnte ich gebrauchen.«
»Ich bleibe nicht. Morgen bin ich draußen.« Stefan war größte Zuversicht anzuhören.
»Wie willst du das anstellen?«
Stefan zuckte ein weiteres Mal die Achseln und hüllte sich in geheimnisvolles Schweigen.
»Du hast einen Fluchtweg?«
Oh ja, La Roux war das Interesse anzuhören. Er wollte raus. Wenn er erst einmal draußen war, würde er das Geld haben, sich eine neue Identität und ein neues Gesicht zu kaufen. Stefan tat das ständig.
Stefan wandte sich von dem Mann ab, sank auf seine Pritsche und erklärte das Gespräch stumm für beendet. Wenn sie zum Abendessen gingen, würde ein Mann tot in seiner Zelle aufgefunden werden. Wenn das Gefängnis geschlossen wurde, würde John Bastille abwesend sein und Jean-Claude La Roux würde wissen, dass es einen Weg gab, der hinausführte. Wenn er in etwa zwei Wochen von einem Wärter angesprochen würde, der ihm Hilfe bei der Flucht anbot, würde er die Gelegenheit beim Schopf ergreifen.
Der Gefangene, der bereits tot in seiner Zelle lag, war ein russischer Verräter, der wegen Waffenhandel einsaß, sich aber viel mehr als nur das hatte zuschulden kommen lassen. Er arbeitete für Jean-Claude und war dafür verantwortlich, dem Gangsterboss den Aufenthaltsort eines ihrer Spitzeningenieure verraten zu haben, Theodotus Solovjov, der das derzeitige Abwehrsystem entworfen hatte. Der Angriff auf Solovjov hatte bei Stefans Bruder Gavril zu bleibenden Verletzungen geführt und sein Leben in Gefahr gebracht.
Gavril, zweifellos einer der Spitzenagenten der Regierung, war Solovjov als Leibwächter zugewiesen worden. Trotz der zahlenmäßigen Übermacht und der waffentechnischen Überlegenheit der Angreifer und obwohl er durch sieben Messerstiche verwundet worden war, war es Gavril gelungen, Solovjovs Entführung zu verhindern und die Entführer zu vertreiben, aber der Microchip, den Solovjov in seine Jacke eingenäht hatte, war entwendet worden. Niemand außer Solovjov und seiner Ehefrau hatte gewusst, dass sich der Microchip dort befunden hatte. Solovjovs eigene Ehefrau hatte Verrat an ihm begangen und Gavrils Auftrag war als gescheitert angesehen worden.
Einem Mann wie Gavril Prakenskij verzieh man keinen Misserfolg und man hatte ihn auch nicht mit Anstand in den Ruhestand geschickt. Man hatte ihn schlicht und einfach ausgeschieden. Gavril war die Flucht aus dem Krankenhaus gelungen und er war spurlos verschwunden. Er würde nie wieder in Sicherheit sein, nicht als Träger des Namens Prakenskij. Der einzige Prakenskij, der sich wirklich in Sicherheit wiegen konnte, war ihr jüngster Bruder Ilja, der zum Interpolagenten ausgebildet worden war. Er hatte kurze Zeit für das geheime Attentatkommando gearbeitet und seine Dienste waren hin und wieder
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