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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Hochhäderich, von wo aus gewandert werden sollte. Schon nach den ersten Metern blieben die restlichen Businsassen zurück. Irmi rannte mehr, als dass sie ging, und begrüßte den Schweiß, der ihr unter dem Rucksack den Rücken hinunterlief, mit Freude. Lissi stolperte wortlos hinterher. Der Reiseleiter hatte ihnen erklärt, wo der Weg verlief: durch Alpweiden, wo das Allgäuer Braunvieh mit stoischem Blick wiederkäute. Es versetzte Irmi einen Stich. Sie vermisste ihre Kühe. War es nicht extrem dämlich, Kühe zu vermissen?
    In diesem Moment sagte Lissi: »Endlich Kühe. Die fehlen mir schon.«
    Irmi lächelte. Ihre Nachbarin sah besser aus als noch vor einer Stunde. Und sie war eine ebenso Infizierte wie sie selbst. Nutztiere waren Freunde und Teil ihrer beider Leben, die sich sonst so sehr voneinander unterschieden. Ein paar Goaßn und Schafe standen ebenfalls am Wegesrand.
    »Das sind Thüringer Waldziegen«, sagte Irmi.
    »Und die Schafe sind Alpine Steinschafe«, meinte Lissi.
    »Sind beides vom Aussterben bedrohte Haustierrassen«, ergänzte Irmi. Ohne Bernhard, der die Idee dämlich fand, hätte Irmi aus dem Hof längst einen Archehof gemacht. Auf Archehöfen wurden alte bedrohte Haustierrassen wie das Schwäbisch-Hällische Schwein, Bergschafe, das Murnau-Werdenfelser Rind, die Thüringer Waldziege, die Bayerische Landgans, das Augsburger Huhn gezüchtet. In Deutschland standen fast hundert Nutztierrassen auf der Roten Liste. Sie waren zu Auslaufmodellen geworden, als die Landwirtschaft sich immer mehr in Richtung Effizienz und Massenerzeugung bewegte: Fleischberge und Milchmaschinen waren gefragt, und es waren die Zuchtverbände gewesen, die den Bauern den Umstieg auf die effizienteren Rassen empfohlen hatten. Das Murnau-Werdenfelser Rind war so ein Modernisierungsopfer, ein schönes Tier und dazu genügsam, mit starken Beinen und harter Klaue. Ihre Kuh Irmi Zwo war eine Werdenfelserin und für eine Kuh längst uralt. Irmi Zwo war Irmis persönlicher Archebeitrag.
    Durch ihren Stechschritt waren sie den anderen weit voraus. Außer ihnen war niemand unterwegs. Der Himmel war verhangen. Immer wieder trieb der Wind Regenschauer vor sich her, dann riss es für Minuten auf. Es war noch immer vergleichsweise warm, aber das Wetter kündete schon den Winter an. Dabei hatte es heuer gar keinen Sommer gegeben.
    Vor ihnen lag ein großes Gebäude, der Alpengasthof Hörmoos. Davor tummelte sich eine Wandergruppe von älteren Semestern, die ausgerüstet waren, als wollten sie den Himalaya bezwingen, dabei sollte es nur hinunter nach Steibis gehen.
    Irmi grinste und sah an sich hinunter: uralte Bergstiefel und Jeans – die Outdoormoderne war definitiv an ihr vorübergegangen. Nebenan lag ihr Ziel, die Alpe inmitten eines herrlichen Kräutergartens. Hundert verschiedene Sorten waren dort angepflanzt, und bei jeder Sorte waren kleine Infotafeln aufgestellt, die alles über die Wirkung der Kräuter und Alpenblumen verrieten. So erfuhr Irmi, dass Johanniskraut gegen Nervenschmerzen und bei Sonnenbrand hilft, Vogelbeere gegen Rheuma, der Wurmfarn bei einem Hexenschuss und Meisterwurz bei Arterienverkalkung.
    Lissi war entzückt. Anscheinend half allein die Anwesenheit dieser Kräuter gegen ihren Liebeskummer. Im Gegensatz zu Irmi war sie ja auch eine gute Hausfrau mit grünem Daumen. Das hier war Lissis Welt.
    Mittlerweile war die Wandergruppe laut schwadronierend abgezogen, und die Stimmen wurden leiser. Gerade erhellte wieder ein Sonnenstrahl den Almboden, so müsste das Leben immer sein. Während Lissi Bekanntschaft mit der Herrin des Kräutergartens machte, stand Irmi einfach nur da und genoss zum ersten Mal seit Ewigkeiten das Dasein.
    Irgendwann kamen die anderen und mit ihnen der Chef Michel Schneider, der zu einer Besichtigung seiner Schnapsbrennerei einlud. Mit dem gelben Enzian, der am Berghang klebte, hatte es begonnen. Schneider hatte sich das Brennen selbst beigebracht, sich beim zuständigen Stuttgarter Hauptzollamt eine Lizenz besorgt – und schon war es losgegangen. Er lächelte. Stolz stand er vor den blanken Kupferkesseln seiner Destille.
    »Ich schwör auf den gelben Enzian«, verriet er. »Aber der ist bitter. Der Trick: Ich mische ein Drittel sorgfältig gewaschene Enzianwurzeln mit zwei Drittel Äpfeln. Dadurch wird das Produkt milder.«
    Er schenkte ein »Probiererle« aus, das runterging wie Öl, fand Irmi. Die entschlackten Körper der Schrothkurler nahmen ihn begierig auf.
    »Und jetzt probiert

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