Huff, Tanya
Tonys Angst immer neue Nahrung gab. Diese Männer nährten sich von der
Jugend der Kinder, die sie ausbeuteten. Sie waren die ekelhafteste Art
Parasiten, die Henry sich vorstellen konnte und würden angesichts dessen, was
sie getan hatten, jetzt noch viel zu gut wegkommen, denn sie würden lediglich
sterben.
Kurz darauf kniete er neben dem ersten Mann, dem Mann,
dessen Faust er zerquetscht hatte, packte diesen am Kinn und zwang ihn, ihn
anzusehen. Die Schreie des Mannes verklangen zum Wimmern. „Deine Freunde sind
tot", sagte Henry sanft. „Genau wie du."
Der faulige Gestank in der Gasse wurde noch fauliger, als
nun der Schließmuskel des verletzten Mannes nachgab und dessen Blase sich entleerte.
„Wo ist Kenny?"
„Samson hat ein Zimmer, das er benutzt, weiter unten in
der Straße. Doug... ist verschwunden."
„Wohin?"
„Weiß nicht. Jemand hat ihm viel Geld gegeben.
Tausende." Die Worte purzelten in panischer Hast aus seinem Mund, als
könnten sie ihm Vergebung erkaufen. „Kenny sagt, mehr hat ihm Doug auch nicht
erzählt. Doug ist nicht der erste. Gerüchteweise gibt es einen Mann, der bereit
ist, dich von der Straße loszukaufen. Dir eine Chance zu geben. Aber es heißt
auch, man müsse dazu etwas Besonderes sein."
„Weiß die Polizei von dieser Sache?"
„Wer zum Teufel redet schon mit der Polizei?"
Eine einleuchtende Antwort, wenn man bedachte, von wem sie
kam. „Mehr weißt du nicht?"
„Nein, das ist alles." Der Mann konnte den Kopf nicht
bewegen, also schaukelte er den Körper vor und zurück, und Tränen rannen ihm
über beide speckigen Wangen. „Ich will nicht... nicht sterben."
Henrys Hand wanderte vom Kinn des Mannes zu dessen Hals.
„Henry." Tony stolperte über eine ausgestreckt
daliegende Leiche und war dankbar für das schlechte Licht in der Gasse. Sachte
berührte er Henrys verspannte Schulter mit der gleichen Geste, mit der Henry
ihm vor, wie es schien, unendlich langer Zeit Trost hatte zukommen lassen.
„Nicht, bitte."
„Wenn du dir ganz sicher bist."
„Ich bin völlig sicher."
Henry beugte sich vor, bis die Finsternis den Willen des
anderen Mannes aufsog und sagte dann leise: „Erinnere dich nicht an uns, aber
erinnere dich an das, was heute nacht hier geschehen ist. Erinnere dich daran,
warum es geschah. Such dir eine andere Arbeit." Er kam wieder auf die
Beine, streckte sich und ordnete die Maske. „Alles klar?"
„Mit mir? Ich war an der Schlägerei gar nicht
beteiligt!" Tony schob sich an Henry vorbei und eilte auf das helle
Rechteck zu, das den Ausgang der Gasse markierte. Er konnte nicht anders, er
war froh, daß der Zuhälter tot war. Aber das gefiel ihm nicht - er selbst gefiel
sich nicht, weil er froh darüber war. „Komm, ehe sie uns das Auto auseinandernehmen."
Henry hob die Leichen in den Müllcontainer, wobei er
achtgab, das scharfe Metall nicht zu berühren. Er konnte aus Tonys Worten
heraushören, mit welchen widerstreitenden Gefühlen der Junge zu kämpfen hatte
und bemühte sich sehr, seinen Ton möglichst neutral zu halten. „Hoffentlich
warten die anderen Aasfresser ab, ob diese drei zurückkommen, ehe sie die Beute
für sich beanspruchen. Ich hatte den Eindruck, die drei waren durchaus keine
netten Menschen."
„Das kannst du laut sagen!"
Als sie auf die Straße kamen, schien die unmittelbare
Umgebung auf gespenstische Art verlassen. „Was sie nicht sehen, darüber
brauchen sie den Bullen keine Lügen zu erzählen", erklärte Tony, während
Henry und er zum Auto liefen.
Dem BMW ging es gut, auch wenn eine streunende Katze an
beiden dem Bürgersteig zugewandten Reifen ihre Duftmarke hinterlassen hatte.
„Meinst du, jemand hat sich das Nummernschild
gemerkt?" fragte Henry, ließ den Motor an und hätte um ein Haar den
Schalthebel in der Hand behalten, als er nun hektisch aus der Parklücke
steuerte.
„Aber klar doch! Die schleppen hier alle Notebooks mit
sich rum und geben da ihre Beobachtungen ein. Die meisten Leute in dieser
Gegend kriegen noch nicht einmal klar, was das für ein Wagen ist! Das mit dem
Nummernschild ist denen viel zu hoch." Tony machte eine Geste, als würde
er ein Ei aufschlagen. „Das ist dein Hirn, wenn du auf Droge bist!" Als
Henry darauf nicht einging, seufzte er tief auf und schloß die Augen. „Ein
Gutes hat die Sache. Offenbar ist Doug nicht erst der zweite Typ, der
verschwunden ist, aber du hast lediglich zwei Geister am Hals, mehr
nicht."
„Warum würde sich irgendwer an einen Fremden verkaufen,
ohne zu
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