Huff, Tanya
offensichtlich der, der in eurer
Beziehung die Macht hat."
„Das ist schon in Ordnung." Am liebsten hätte Tony
hysterisch gekichert. Die Nacht war lang gewesen und war noch nicht einmal
halb vorbei. „Wirklich, so ein Raubtier ist er nicht."
„Bist du sicher?"
Tony fuhr mit dem rechten Daumen über die Narbe an seinem Handgelenk.
„Ganz sicher."
Niemand im Jugendzentrum schien mehr zu wissen, als sie
bereits von Tait erfahren hatten. Aber Henry war überzeugt, daß drei der Leute,
mit denen sie geredet hatten, sie angelogen hatten.
„Die Hälfte der Leute hier kennt die beiden wahrscheinlich
vom Sehen", erklärte Tony, als Henry und er das Haus verließen. „Aber sie
kennen keine Namen oder Adressen oder so. Wer auf der Straße lebt, hält sich
eng an die eigenen Freunde und ist auch denen gegenüber nicht offen. Es ist
einfach sicherer. Was machen wir jetzt?"
„Ich könnte warten, bis die Lügner sich verabschieden und
ihnen dann draußen ganz privat ein paar Fragen stellen."
„Das wäre eine Möglichkeit. Du könntest aber auch die
Typen tragen, die am Auto rumlungern."
Es waren drei. Tony meinte, die Stimme Joe Taits zu hören:
Hier unten nennen wir sie Raubtiere. Wenn Tony noch nie in seinem Leben
Raubtiere gesehen hätte, hätten ihm jetzt die Knie gezittert. So wie die Dinge
standen, sah er in den drei Typen nur billige Kopien, nicht so furchteinflößend,
wie sie selbst sich sahen. „Neben mir geht ein Vampir", murmelte er, „und
ich werde nicht zögern, ihn einzusetzen!"
Henry lächelte und lüftete spekulativ eine Braue. „Wollen
wir mal sehen, was sie wollen?"
„Ich würde sagen, das ist offensichtlich", seufzte
Tony und schloß sich Henry an.
Der größte der drei hob sein Hinterteil von der
Kühlerhaube des BMW, hängte die Daumen in den Hosenbund seiner Jeans, ließ das
komplexe Muster aus blauen Tätowierungen spielen, das seine beiden bloßen Arme
zierte und sagte: „Wie wir hören, stellt ihr hier Fragen."
„So, das hört ihr also?"
Na prima, wirklich clever, seufzte Tony im stillen, denn
er erkannte den Ton, in dem Henry mit Menschen zu reden pflegte, denen er
deutlich machen wollte, daß er sie für Trottel hielt. Provozier sie ruhig! Als
ob man die noch ermutigen müßte.
Die drei wechselten triumphierende Blicke, und dann sprach
wieder der Große. Vielleicht haben wir ja ein paar Antworten."
„Wirklich?"
„Die beiden, nach denen ihr sucht, Kenny und Doug... die
arbeiten für mich. Wenn ihr von denen was wollt, dann müßt ihr euch an mich
wenden."
„Sie arbeiten für dich?"
„Ja, sie arbeiten für mich." Ein anzügliches Grinsen
stellte klar, wie das gemeint war.
Tony hielt krampfhaft die Hände hinter dem Rücken
verschränkt und unterdrückte tapfer das starke Bedürfnis, sich hinter Henry zu verstecken
und den Freund als Schutzschild zu nutzen. Ich bin kein Stricher mehr!
Henrys Stimme klang jetzt schärfer. Er roch, wie Tonys
Furcht wuchs und kannte die Ursache dafür. Das machte es schwer,
Höflichkeitsformen zu wahren, selbst die Art arroganter, distanzierter
Höflichkeit, mit der er den dreien bislang begegnet war. „Weißt du dann auch,
wo sie sind?"
„Sicher weiß ich das, und wir können euch hinbringen. Das
kostet dann aber."
„Wir zahlen, wenn wir die beiden sehen."
Wieder ließ der Mann die Tätowierungen spielen: diesmal,
indem er die Achseln zuckte. „Wie ihr wollt."
Tony versuchte, Henrys überhebliche Nonchalance
nachzuahmen, als die fünf nun gemeinsam auf eine dunkle Hintergasse zugingen,
wurde aber durch das sichere Wissen um das, was nun unweigerlich geschehen
würde, stark behindert.
Am Ende der Gasse stand ein Müllcontainer. Er war fast so
breit wie das Gäßchen selbst, das dadurch faktisch zur Sackgasse wurde.
Mit trockenem Mund verzog Tony sich in eine Ecke.
Henry berührte ihn sacht an der Schulter, ehe er sich den
anderen zuwandte. „Wenn sie nicht im Müllcontainer sind ..." Er fing die
Faust auf, die auf sein Gesicht zuflog und drückte zu; Knochen knackten.
Erstaunt starrte der tätowierte Mann auf den heulenden
Körper, der sich zu seinen Füßen im Dreck wand. „Du Hund!" Blitzschnell
zog er ein Messer, klappte es auf und sprang vor.
Der Gefährte, der ihm noch verblieben war, tat es ihm
nach.
Henry ließ die Maske fallen. Nach dem Schlachtfest in der
Lagerhalle bestand für ihn wahrlich keine Notwendigkeit zu trinken, aber er
ließ dem Hunger freien Lauf und stachelte ihn noch an, getrieben von einer Wut,
der
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