Huff, Tanya
strahlend.
„Frau Doktor sagt, ich soll Ihnen was zum Essen
bringen."
„Wer sind Sie?"
„Sullivan. Mehr brauchen Sie nicht zu wissen."
Celluci verstand, warum Sullivan lächelte: Der Pfleger
hatte den Fertigbrei aus Haferflocken in der Mikrowelle derart heiß werden
lassen, daß er dem Detective die Mundschleimhaut verbrannte. Celluci konnte
nichts dagegen tun, konnte noch nicht einmal einatmen und sich Kühlung verschaffen:
Eine riesige Hand hielt sein Kinn umklammert und drückte ihm den Mund zu, bis
er den Brei geschluckt hatte. Dem Brei folgte Orangensaft. Als Celluci husten
mußte und der Saft ihm aus der Nase drang, glitzerten die milden braunen Augen
des Pflegers fröhlich. Kuhaugen hatte Vicki sie genannt — auf Mike wirkten sie
eher wie die Augen eines jungen Hundes. Eines jungen Hundes mit Tollwut, leider
Gottes.
Ein Waschlappen schrubbte das Gesicht des Detective, bis
sich die Haut so straff anfühlte wie nach einer Schönheitsoperation, und
drückte ihm dabei Seife in den Mund.
„Mein Gott, wo haben Sie denn Krankenpflege gelernt?"
„In der Haftanstalt von Kingston."
„Sie haben auf der Krankenstation vom Kingstoner Knast
gearbeitet?"
Sullivan nickte fröhlich.
„Warum?" Celluci spie Seife. „Weil Sie ein tief
verwurzeltes Bedürfnis verspürten, zu helfen und zu heilen?"
Während Sullivan Mike quälte, war das Lächeln keinen
Moment lang aus seinem Gesicht gewichen. Nun wurde es breiter. „Weil ich gern
anderen weh tue, und kranke Leute können sich nur schlecht wehren."
Celluci mußte sich eingestehen, daß gegen diese
Argumentation wenig vorzubringen war. Er stöhnte auf, als sich Sullivan auf
seinem Oberschenkel abstützte, die Faust tief in die entspannten Muskeln
drückte und sich ganz langsam hochhievte.
Dann verschlief Mike den größten Teil des Vormittags und
wachte nur einmal kurz auf, als ihm jemand den Inhalt einer großen
Wasserflasche in den Rachen kippte. Das geschah so rasch und heftig, daß
Celluci keuchen mußte und fast erstickt wäre.
„Sie müssen den Flüssigkeitsverlust ausgleichen",
verkündete Sullivan daraufhin vergnügt.
Das Mittagessen bescherte dem Pfleger einen ebenso großen
Lustgewinn wie das Frühstück, nur daß es diesmal um heiße Brühe ging. Dann
folgte ein schlurfender Gang auf die Toilette: Celluci waren weiter Hände und
Füße gefesselt. Der Detective wußte, daß ein Fluchtversuch auf jeden Fall zum
Scheitern verurteilt war, konnte es aber trotzdem nicht lassen, einen zu
unternehmen.
„Wenn Sie das noch mal machen", grunzte Sullivan, als
er den Kopf seines Gefangenen genüßlich gegen die Wand knallte, „dann breche
ich Ihnen die Beine."
Celluci suchte noch nach einer witzigen Replik, als sein
Kopf ein weiteres Mal Kontakt zur Tapete aufnahm.
„Jeden Donnerstag besucht Ronald Swanson das Hospiz, das
er im Gedenken an seine tote Frau eingerichtet hat." Patricia Chou
rannte, gefolgt von einem Kameramann, raschen Schrittes über den Parkplatz und
hielt ihr Mikrophon direkt unter die Nase eines Mannes, der gerade aus
einem funkelnagelneuen Chevrolet stieg. „Mr. Swanson, ein
paar Worte bitte!"
Der Mann blickte auf das Mikrophon, dann zur Kamera und
sah dann endlich Patricia Chou an. „Ein paar Worte zu welchem Thema?"
fragte er.
„Ein paar Worte über die Arbeit dieser Klinik. Ein Appell
an die Bevölkerung, ihre Organspenderausweise zu unterschreiben, damit es Kliniken
wie diese nicht länger geben muß!" Die Reporterin lächelte, was ihr eine
ungeheure Ähnlichkeit mit einem Hai verlieh. „Oder wollen Sie lieber die
Gelegenheit nutzen und über Spenden reden, die sich bezahlt machen? Eigentlich
ein Widerspruch in sich, oder? Ein ziemlich hinterlistiger Widerspruch, finden
Sie nicht? Glauben Sie denn wirklich, es reicht, die Bezahlung verdeckt
vorzunehmen? Daß niemand mitbekommt, wie in Wirklichkeit Organe gegen eine
Entschädigung zur Verfügung gestellt werden?"
„Ich habe Ihnen nichts zu sagen."
„Nichts? Aber irgend etwas hat doch eigentlich jeder zu
sagen, Mr. Swanson."
Jetzt war der Mann verärgert, nicht mehr nur verwirrt.
„Wenn Sie das nächste Mal mit mir zu sprechen wünschen, dann machen Sie bitte
einen Termin mit meiner Sekretärin." Mit diesen Worten schob er sich an
der Frau vorbei und ging, die Schultern hochgezogen, mit großen Schritten auf
die Klinik zu.
Geschickt tänzelte ihm der Kameramann aus dem Weg und ließ
ihn doch keinen Moment lang aus der Linse. „Ihm nach?" fragte er.
„Nicht nötig."
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