Huff, Tanya
Patricia Chou schaltete ihr Mikrophon
ab und bedeutete dem Kollegen, dasselbe mit seiner Kamera zu tun. „Ich habe,
was ich wollte."
„Nämlich?"
„Ich wollte ihm mal ein wenig auf die Hühneraugen treten.
Ihm Angst machen. Ängstliche Leute begehen Fehler."
„Du kannst den Mann nicht leiden, was?"
„Um leiden können oder nicht leiden können geht es nicht,
es geht darum, eine Geschichte zu bringen. Glaub mir, unter dem ganzen Getue,
diesem ganzen Schmus von Geschäftsmann als Menschenfreund lauert eine astreine
Geschichte."
„Vielleicht ist er ja Batman?"
„Steig ins Auto, Brent, oder wir verpassen die Anhörung
über den Etat der öffentlichen Bibliotheken." Die Anhörung über den Etat
der öffentlichen
Bibliotheken! wiederholte die Reporterin frustriert im
Geiste und fuhr mit quietschenden Reifen vom Parkplatz. Ja, das ist wirklicher
Journalismus! Sie wollte Swanson so sehr, wollte ihn so gern ans Messer
liefern, sie konnte das Verlangen danach förmlich auf der Zunge spüren. Was
wohl aus diesem Detective geworden sein mag...
„Ich bin am Auto mit Patricia Chou
zusammengetroffen." Swansons Tonfall legte die Vermutung nahe, daß es dem
Mann viel lieber gewesen wäre, sein Auto und nicht er wären mit Patricia Chou
zusammengestoßen und die Reporterin hätte den Zusammenstoß nicht überlebt.
Swanson betrat Dr. Muis Büro und schloß die Tür hinter sich. „Im Hinblick auf
diese junge Frau muß irgend etwas unternommen werden."
„Beachten Sie sie einfach nicht." Dr. Mui stand auf
und strich ihren makellos weißen Laborkittel glatt. „Sie versucht doch nur, Sie
soweit zu bringen, daß Sie Ihr schließlich eine Geschichte liefern."
„Warum ich? In dieser Stadt wimmelt es von Fernsehteams
und Filmproduktionen. Warum geht sie nicht hin und nervt irgendeinen Schauspieler?"
Er fuhr sich mit der Hand über die kahle Stelle auf seinem Schädel, die vor
Aufregung feucht geworden war. „Sie glauben doch nicht, daß sie wirklich irgend
etwas weiß, oder?"
Ungerührt und prüfend betrachtete die Ärztin Swanson. Er
war durch den Zusammenstoß mit der Reporterin eindeutig stark verunsichert.
„Daß sie was weiß?" fragte sie dann, als gäbe es da wirklich nichts zu
wissen.
„Wenn sie mein Haus beobachtet und Sie heute morgen da hat
eintreffen sehen..."
„Dann wird sie wie jeder andere auch annehmen, mein Besuch
bei Ihnen habe etwas mit meiner Arbeit hier in der Klinik zu tun gehabt."
„Aber..."
„Die Frau treibt Sie in den Verfolgungswahn."
„Ich muß Sie um Entschuldigung bitten, Dr. Mui."
Swanson riß sich sichtlich zusammen. „Irgend etwas an dieser Frau bringt mich
unweigerlich dazu, übertrieben zu reagieren."
„Diese Wirkung scheint sie auf die meisten Menschen zu
haben", gestand ihm die Ärztin großzügig zu. „Haben wir einen
Käufer?"
„Ja. Er wird morgen hier sein."
„Gut. Dann kann ich die Transfusionen einrichten, sobald
er hier ist, und wenn alles gutgeht, können wir am darauffolgenden Tag die
Transplantation vornehmen." Sie schob sich an Swanson vorbei und öffnete
die Tür. „Wollen wir?"
„Ehe wir unseren Rundgang beginnen, wüßte ich gern, ob
seit letzter Woche Veränderungen eingetreten sind, von denen ich wissen
sollte", entgegnete Swanson und folgte der Ärztin in den Flur.
„Mathew Singh ist heute morgen gestorben."
„Mathew Singh", wiederholte Swanson voller Trauer und
Wut. Seine Reaktion stand im krassen Gegensatz zu der klinisch unbeteiligten Distanz,
mit der ihm die Ärztin die Neuigkeit mitgeteilt hatte. „Er war noch so jung -
siebenunddreißig!"
„Aber er hing schon eine ganze Weile an der Dialyse. Vor
zwei Tagen war er in die vierte Stufe eingetreten."
„Ach, das ist kriminell, einfach nur kriminell!" Nun
überlagerte Swansons Wut seine Trauer, wie sie es letztlich immer tat. „Wir
reden hier von einer unkomplizierten Operation, für die man sogar
vergleichsweise einfach einen Spender finden kann, weil die Übereinstimmung so
detailliert gar nicht sein muß wie bei anderen Verfahren, und trotzdem sterben
immer noch Menschen. Was ist nur mit unseren Gesetzgebern los, daß sie nicht
einsehen wollen, daß die einzige moralisch gerechtfertigte Vorgehensweise in
dieser Frage darin besteht, bei einem Hirntot davon auszugehen, daß der
Verstorbene einer Organentnahme zugestimmt hätte? Nehmen wir Frankreich - da gehen
sie seit 1976 nach dieser Regelung vor, und bis jetzt ist die französische
Gesellschaft daran nicht zugrunde gegangen. Na ja,
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