Huff, Tanya
sagen.
Schweigend ging sie weiter ihren Vorbereitungen nach.
Mike hatte schon oft Blut gespendet, bei vielen
verschiedenen Gelegenheiten, aber diesmal konnte er seinen Blick nicht von der
Nadel wenden. Sie sah aus, als sei sie mindestens zwölf Zentimeter lang und
dick wie ein Strohhalm. Er zuckte zusammen, als die Ärztin die Innenseite
seines Ellbogens mit Alkohol abrieb und versuchte, seinen Arm so weit es ging
aus der Nähe des bedrohlichen Gummischlauchs zu entfernen.
„Es muß nicht wehtun", erklärte die Frau, die die
Nadel bereits gezückt hielt. „Aber es kann. Wenn Sie sich bewegen, muß ich
vielleicht zwei oder drei Versuche machen, ehe ich die Vene finde."
„Zwei oder drei Versuche?" fragte er und sah zu, wie
die Nadelspitze sich senkte. „Wenn das so. ist, kann ich, glaube ich,
stillhalten."
„Sehr klug von Ihnen."
Sein Blut schoß hoch in den Schlauch und verschwand hinter
der Bett' kante. Vicki wird wirklich ziemlich sauer sein! Ein beruhigender
Gedanke. Mike ließ den Kopf wieder in die Kissen sinken. „Wie soll ich Sie anreden?"
„Wenn Sie mich überhaupt anreden müssen, dann reicht Frau
Doktor völlig."
„Sie werden mir nichts über Ihre Motive mitteilen, auch
nicht über Ihre Methode und warum Sie davon ausgehen, daß man Sie schon nicht
erwischen wird. Habe ich recht?"
„Da haben Sie völlig recht."
Er sah ihr bei der Arbeit zu und dachte, daß er mit seiner
Vermutung wohl genau richtiggelegen hatte. Viel mehr blieb nun nicht zu sagen,
und so schwieg der Detective. Langjährige Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß nur
wenige Menschen mit Stille umgehen können. Die meisten sind bereits nach
kurzer Zeit geneigt zu reden, einfach nur, weil sie die Stille füllen wollen.
Auf diese Art und Weise hatte Celluci einige Geständnisse eingefahren.
Diesmal gelang ihm das jedoch nicht, und schließlich war
er es, der das Schweigen nicht länger ertragen konnte. „Sie wären ja auch prima
davongekommen. Wenn man die Leiche im Hafen nicht gefunden hätte."
„Die Leiche im Hafen konnte nicht identifiziert werden.
Die Polizei wird in keinem der örtlichen Krankenhäuser Unterlagen über eine Nierenoperation
bei diesem Mann finden und dementsprechend davon ausgehen, er stamme von
außerhalb." Die Ärztin bewegte sich schnell und geschickt, als sie den
vollen Blutbeutel gegen einen leeren austauschte. Offenbar tat sie so etwas
nicht zum ersten Mal. „Daß man ihm die Hände entfernt hat, führt zudem
angesichts des jüngsten Blutbads in Mafiakreisen die Ermittlungen noch weiter
in eine falsche Richtung. Die ganze Sache wird immer verworrener und
komplizierter, und da niemand vortreten wird, um sich der Belange des
Verstorbenen anzunehmen, werden die Einsparungen im Haushalt der Stadt bald
dafür sorgen, daß man die Ermittlungen ganz einstellt."
„Die polizeilichen Ermittlungen", ergänzte Celluci
bedeutungsvoll.
„Ihre Nachforschungen sind ja nun auch beendet",
erinnerte ihn Dr. Mui. „Ihre Freunde wollen mit der Polizei nichts zu tun
haben, und die Beamten, die sie geschickt haben ...", sie breitete die
Hände aus, „... haben Sie ja nicht gefunden. Auch Ihre Freunde werden Sie hier
nicht aufspüren können."
Sie haben ja keine Ahnung, wie findig meine Freunde sein
können1. Das sagte Celluci jedoch nicht laut, weil er auf keinen Fall die
Wachsamkeit der Ärztin noch zusätzlich schüren wollte. Sie machte auf ihn ganz
den Eindruck einer Frau, die Knoblauch über der Tür aufhängen würde, nur für
den Fall der Fälle.
„Außerdem ...", ein Blutstropfen glitzerte an der
Spitze der Nadel, die sie ihm jetzt aus dem Arm zog, „... werden Sie hier auch
nicht lange bleiben." Rasch noch ein Wattebäuschchen und ein kleiner
Verband - dann war die Ärztin auch schon auf dem Weg zur Tür.
„Frau Doktor?"
Mit einem ungeduldigen Ausdruck wandte sie sich noch
einmal um, eindeutig ungehalten über die Unterbrechung und nur ungern bereit,
irgendwelche Fragen zu beantworten.
Mike grinste: Ein wenig Charme konnte unmöglich schaden.
„Werde ich je wieder Klavier spielen können?"
Dr. Mui preßte die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen.
„Nein", sagte sie und ging.
Wenig später, Mike prüfte gerade wieder einmal den Sitz
seiner Fesseln, öffnete sich die Tür. Unwillkürlich spannten sich die Muskeln
des Detective, entspannten sich aber gleich wieder, als nichts Gefährlicheres
als der riesige Pfleger im Türrahmen erschien. Der Mann trug einen Suppennapf
und lächelte
Weitere Kostenlose Bücher