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Huff, Tanya

Huff, Tanya

Titel: Huff, Tanya Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blood Ties 05 - Blutschuld
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Bett geschickt. Bis auf eine kleine Lampe in Form eines
Halbmonds, die den Eingangsbereich beleuchtete, waren alle Lichtquellen der
Wohnung gelöscht. Durch die offenen Vorhänge drang die Stadt ins Wohnzimmer,
eine Stadt, die den Bewohnern der Nacht jegliche Dunkelheit und alles, was
auch nur annähernd an Dunkelheit erinnerte, vom Leibe hielt. Vicki hatte
sorgfältig die ungeöffnete Post zweier Tage auf einen Stapel gelegt und
beiseite geschoben, saß nun am Mahagonischreibtisch, starrte auf ein leeres
Blatt Papier und wartete auf Henry.
    Bald würde er kommen; mußte er kommen, wenn er ihr auch
nur die geringste Chance geben wollte, den Autopsiebericht zu lesen und ein
oder zwei Schlüsse daraus zu ziehen, ehe die Sonne aufging.
    Solange Vicki sich darauf beschränkte, auf Henry zu
warten, ging es ihr prima. Wenn sie anfing, darüber nachzudenken, was Henry
war, färbten sich all ihre Gedanken knallrot.
    Vampir.
    Aber er war immer Vampir gewesen - er war nicht derjenige,
der sich geändert hatte.
    Vicki spielte an dem schweren Füllfederhalter herum, den
sie in einer der Schreibtischschubladen gefunden hatte, drehte das glatte,
schwarze, schwere Schreibgerät in den Händen, und die Wiederholung der immer
gleichen Bewegung schien sie ein wenig zu beruhigen.
    Gut. Ich bin nicht mehr, was ich war, aber ich bin immer
noch die, die ich war. Ich habe damals die Grenzen akzeptiert, die meine
Augenkrankheit mir setzte - vielleicht nicht gerade mit Anmut und Würde - wie
sie sich ehrlicherweise eingestehen mußte - aber ich habe sie akzeptiert. Ich
habe mich durch diese Grenzen nicht hindern lassen, mein Leben so zu leben, wie
ich es wollte. Ich bin hier, um einen Mörder zu finden und werde nicht
zulassen, daß Henry Fitzroy mir in meine Arbeitsweise hineinredet. Er ist mein
Freund, und wir werden uns benehmen wie Freunde, und wenn ich ihn dafür in
Stücke reißen und mich an seinen dampfenden Eingeweiden ergötzen muß.
    Der Federhalter zerbrach in ihren Fingern.
    „Verdammte Scheiße!"
    Heftig atmend konnte sich Vicki gerade noch davon
abhalten, die Einzelteile einfach in die Gegend zu schleudern und ein ganzes
Zimmer voller ziemlich teurer Polstermöbel mit Tinte zu tränken. Der Kampf um
Beherrschung hatte sie so angestrengt, daß sie am ganzen Körper zitterte.
Vorsichtig legte sie beide Füllfederhalterhälften auf den Tisch, sprang auf und
versetzte ihrem Stuhl einen heftigen Fußtritt.
    Während eine kleine Stimme in ihrem Kopf verwundert
fragte, was das nun wieder gewesen sein sollte, eilte Vicki zur Tür: Der Hunger
hatte sein

Haupt erhoben. Aus der Spiegelwand neben der Wohnungstür
starrten sie silbergraue Augen an. Vicki packte die Türklinke und mußte dann
feststellen, daß sie ein anderes Herz hören konnte, das im Takt mit ihrem
schlug.
    Henry.
    Im Flur. Fast schon an der Tür.
    Vampir.
    Dann kam ihr ihr Gedächtnis zur Hilfe und fügte Cellucis
Definition hinzu: Autor von Liebesromanen.
    An diese Definition klammerte sich Vicki, und es gelang
ihr, ihren Instinkt zu bändigen. Ihr Atem ging langsamer, und das Dröhnen in
ihren Ohren wurde zum leisen Rauschen. Nun gut, dann war es eben so: Vampire
teilten ihr Revier nicht mit anderen Vampiren. Aber es stand nirgends
geschrieben, daß sie es nicht mit einem Autor von Liebesromanen teilen konnte.
    Wie Tony gesagt hatte: alles eine Frage der Einstellung.
    In Fragen der Einstellung bin ich groß! Durch diesen
Gedanken bestätigt riß Vicki die Tür auf. „Warum hast du so lange
gebraucht?"
    Henry wich einen Schritt zurück, um ihr nicht zu
nahezukommen. Seine Augen wurden dunkel, und er bleckte die Zähne. „Übertreib'
es nicht, Vicki!"
    „Hey ..." Vicki breitete die Hände aus, eine Geste
mit Doppelfunktion: So konnte sie einerseits betonen, daß ihre Worte
versöhnlich gemeint waren und stand andererseits bereit, Henry an die Gurgel zu
gehen. „Wer übertreibt hier? Ich habe nur eine Frage gestellt." Aus
irgendeinem Grund klangen die Worte wie eine Herausforderung, und das hatte
Vicki wirklich nicht beabsichtigt. Mit der Tür zwischen ihnen beiden war ihr
die Sache einfacher erschienen; jetzt, von Angesicht zu Angesicht, ließ sich
die instinktive Reaktion auf die Bedrohung, die Henry darstellte, wesentlich
schwerer ignorieren. „Es wurde spät, Henry. Ich habe mir Sorgen gemacht."
    „Warum hast du dir Sorgen gemacht?"
    Weil du alt bist und langsam wirst ...wo zum Teufel kam
das denn her? Erschüttert verfrachtete Vicki den Gedanken in die

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