Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)
Amerika’s. Wie die alten Patriarchen wanderten sie mit Weibern, Kindern, Knechten und Heerden weiter, mitten in die Wälder, lichteten sie und wirthschafteten darin. «Verbesserung» war dabei ihr stetes Ziel, d. h. eine ewige Veränderlichkeit. Diese treibt sie endlich hinaus, sich einen neuen Ort der Ansiedlung zu suchen, wieder Bäume zu fällen, Felder anzubauen, wieder Häuser, Ställe und Scheunen zu bauen und sie wieder zu verlassen.
Der Art waren die Bewohner von Connecticut, die östlichen Nachbarn der Neu-Niederländer, und meine Leser können sich leicht denken, welche Nachbarn dieses mercurialische Völkchen für unsere ruhigen Vorfahren waren.
Schaaren von Marodeurs streiften in ihr Gebiet hinüber und setzten ganze Dörfer durch ihre Behendigkeit und ihren Forschungstrieb in Angst und Schrecken, zwei Eigenschaften, die bis dahin unter ihnen unbekannt oder verabscheut waren.
Auch gab es viele Scenen der Eifersucht durch ihre schnellen Bekanntschaften mit dem göttlichen Geschlecht; denn bald hatten sie mit ihrer verwetterten Zunge und gewandten Art den einfachen holländischen Schönen die Köpfchen verrückt. Unter andern häßlichen Gewohnheiten wollten sie auch die vertraute Sitte des «Bündelns» einführen, welches bei Liebeshändeln damit anfängt, womit andere aufhören; aber diese ausländische Neuerung verbaten sich die Mütter, die besser als ihre Töchter mit der Welt und den Männern bekannt waren, sehr ernsthaft.
Ohne Weiteres nahmen sie oft von niederländischen Landestheilen Besitz, um den Boden zu cultiviren oder zu verbessern, wie sie sagten. Diese Art, sich ohne Complimente neuen Grund anzueignen, nannte man technisch Squatten, und daher bekamen sie den Namen Squatters, welcher allen großen Oekonomiebesitzern ein Gräul ist.
Das ruhige Cabinet Van Twillers ertrug alle diese Unglücksfälle mit einer Großmuth, die unsterblichen Ruhm verdient – man gewöhnte sich allmählig an diese wachsende Last, wie jener starke Mann im Alterthum, der ein Kalb von der Geburt an alle Tage trug, bis es ein großer Ochs geworden war.
Fünftes Kapitel.
Wie das Fort der guten Hoffnung furchtbar belagert wurde – wie der berühmte Wouter in einen tiefen Zweifel fiel und endlich ausschmauchte.
Schon sehr früh und vor der Ankunft des berühmten Wouters hatte das Cabinet der Neuen-Niederlande die Ländereien am Connecticut gekauft und dort zum Schutz einen befestigten Punkt am Ufer errichtet, welchen man das Fort der guten Hoffnung nannte, dicht bei der jetzigen schönen Stadt Hartford. Das Commando mit dem Titel als Commissär erhielt der ritterliche Jacobus Van Curlet oder Van Curlis. Er hatte das Ansehen eines langen Mannes auf kurzen Beinen, und machte deßhalb solche Schritte, daß man ihn hätte für den Däumling mit den Siebenmeilenstiefeln halten sollen; dabei tappte er so stark auf, daß seine Leute immer fürchteten, er werde sich selbst einmal unter die Füße treten.
Dieses verwegenen Mannes und seines starken Forts ungeachtet, unterließen es die Yankees doch nicht, in das Gebiet einzudringen und sich selbst in der Umgebung des Forts festzusquattern.
Bei solcher Beleidigung unterließ es auch der langleibige Van Curlet nicht, hervorzukommen, auf gut holländisch dagegen zu protestiren und eine Abschrift der Protestation mit einem höchst beschwerenden Bericht an den Gouverneur zu schicken. Nun sprach er seinen Leuten Muth ein, schloß das Thor der Festung, rauchte drei Pfeifen, ging zu Bett und erwartete mit großer Kaltblütigkeit den Erfolg, welches seinen Leuten großen Muth und seinen Feinden ohne Zweifel Zaghaftigkeit einflößte.
Nun geschah es zu selbiger Zeit, daß der berühmte Wouter Van Twiller, an Jahren und Ehren und Rathsmahlzeiten reich, die Lebensperiode erreicht hatte, die nach dem großen Gulliver zum Eintritt in den alten Orden der Struldbruggs berechtigt. Als nun Seine Excellenz der Gouverneur die Protestation des ritterlichen Jacobus Van Curlet zu lesen bekam, fiel er gradeswegs in den tiefsten Zweifel, den er je gehabt hatte; sein umfassender Kopf sank allmählig auf die Brust herab, er schloß die Augen, neigte das Ohr auf die eine Seite, als wolle er genau der Discussion zuhören, die in seinem Magen vor sich ging, welcher bei ihm das Unterhaus des Parlaments war. Ein unarticulirter Ton, der sehr einem Schnarcher glich, entfuhr ihm, aber diese innere Ueberlegung kam nie mehr zu Tage, da er über diesen Gegenstand gegen Niemanden seine Lippen mehr
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