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Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)

Humoristische Geschichte von New-York (German Edition)

Titel: Humoristische Geschichte von New-York (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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begann, zog er das Schnupftuch heraus und ließ seine Nase in sehr sonoren Tönen moduliren, wie die großen Redner zu thun pflegen. Dieses scheint mir eine Art von Signalstößen mit der Trompete zu seyn, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen; bei Wilhelm dem Eigensinnigen aber hatte es die Bewandtniß, daß er von dem famosen Demagogen Cajus Gracchus gelesen, wie er bei einer Rede an die römische Menge seine Töne mit einer Rednerflöte oder Zwerchpfeife modulirt habe.
    Nachdem die vorbereitende Symphonie vorüber war, fing er damit an, daß er ein demüthiges Bekenntniß seiner Unvollkommenheit, seiner völligen Unwürdigkeit und Unfähigkeit zu dem wichtigen Posten, kurz eine solche Verachtung seiner selbst aussprach, daß mehrere einfältige Mitglieder vom Lande, die dieß für baare Münze hielten, sich sehr verwunderten und selbst erzürnten, daß er ein Amt angenommen, wozu er gar nicht fähig sey.
    Dann ging er zu den Regierungen Griechenland’s, Rom’s und Karthago’s und zu den Ursachen des Wachsthums und Verfalls vieler fremden Reiche über, von welchen die Versammlung so wenig etwas wußte, als ihre noch nicht gebornen Urenkel. Nachdem er auf solche Weise seine Gelehrsamkeit beglaubigt hatte, gelangte er endlich zu dem minder wichtigen Theil seiner Rede, dem Zustande der Provinz – und hier ereiferte er sich denn im höchsten Grade über die Yankees, die er mit den Galliern verglich, welche Rom verwüsteten, und mit den Gothen und Vandalen, welche die schönsten Gefilde Europa’s durchwütheten; in angemessenen Schimpfworten wurde hierbei der Schmach des Eindrängens, der Keckheit des Ansiedelns und endlich des Schimpfes gedacht, daß sie sich nicht entblödet, ihre Zwiebeln bis unter die Wälle des Forts der guten Hoffnung zu pflanzen.
    Nach dem kunstvollen Climax, der in dieser letzten Periode lag, kehrte er mit der Ruhe eines Weisen zu sich zurück und erklärte mit Selbstbewußtseyn, er habe Maßregeln getroffen, um diesen Eingriffen ein Ende zu setzen – er benutze hierzu ein neuerfundenes Geschütz, welches zwar fürchterlich, aber unumgänglich nothwendig sey – es heiße Proclamationen!
    Ein solches Geschütz mit furchtbaren Drohungen stehe gerüstet da, und er gebe sein Wort als Gouverneur, daß nach zwei Monaten der Publication in den neuen Städten dieser Eindränger kein Stein auf dem andern bleiben werde. –
    Der Rath verstummte nach diesen Worten auf geraume Zeit; entweder war es Folge des tiefen Eindruckes der glänzenden Rede, oder waren sie über die Länge derselben eingeschlafen, das wird nicht mit überliefert. Endlich aber wurde ein allgemeines Beifallgrunzen gehört und die Proclamation sogleich mit gehöriger Feierlichkeit ausgefertigt, unter Anhängung des großen Insiegels der Provinz, ungefähr in der Größe eines Pfannkuchens, welches mittelst eines breiten rothen Bandes angeheftet war. Der Gouverneur fühlte sich nach diesem Erguß seines Unwillens wesentlich erleichtert, vertagte die Versammlung, setzte seinen aufgekrämpten Hut auf, zog seine blutrothen Hosen in die Höhe, bestieg ein langes dürres Pferd, und trabte damit auf seinen Landsitz, der in einem lieblichen einsamen Moraste lag und jetzt die Holländer-Gasse oder besser der Hunds-Jammer (
Dogs Misery
) genannt wird.
    Hier ruhte er wie der göttliche Numa von den Regierungssorgen aus und nahm neuen Unterricht – nicht bei der Nymphe Egeria, sondern bei seiner edlen Hälfte, die eines jener besondern Wesen war, welche nach der großen Fluth zur Strafe für die Sünden der Menschen erschienen und unter dem Namen «kluge Frauen» bekannt genug sind. Pantoffelherrschaft war damals noch tiefes häusliches Geheimniß, und wenn diese Art zu regieren auch keine hervorstehende Seite des Alterthums gewesen zu seyn scheint, so tröstete er sich doch mit einem classischen Spruch für die selbstauferlegte Unterwerfung; er hieß: «erst der ist würdig zu befehlen, welcher gehorchen gelernt hat.»

Zweites Kapitel.
    Erzählt die Kunst, mit Proclamationen zu Felde zu ziehen – sowie die schmählige Behandlung des ritterlichen Jacobus Van Curlet in dem Fort der guten Hoffnung.
    Die Zeit verfloß, es kamen vier Jahre in’s Land, und die fürchterliche Proclamation war ohne allen Erfolg, denn noch immer standen die Zwiebeln von Pyquag unter den Mauern des Forts, zu nicht geringem Augenleiden der Garnison; es entstand dicht auf den Fersen des Forts der guten Hoffnung die Colonie Hartfort, nicht minder eine neue

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