Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Humphrey, ich und Kokolores (German Edition)

Humphrey, ich und Kokolores (German Edition)

Titel: Humphrey, ich und Kokolores (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Vandersee
Vom Netzwerk:
wenige Stunden an Heiligabend.
    Durch meine Arbeit als Reiseleiterin war ich ohnehin so eingespannt gewesen, dass ich kaum Freizeit besessen hatte. Doch das war nun anders. Seit drei Monaten war ich arbeitslos, und obwohl der Plan, sich mit einem Catering-Service selbstständig zu machen, immer konkretere Formen annahm, hatte ich keine adäquate Ausrede, meiner Mutter nicht zu helfen.
    So fuhr ich also in die Kleinstadthölle zurück, der ich meine Sucht nach Schokolade, viele verkaterte Wochenenden und ein gebrochenes Herz zu verdanken hatte.
    Die Schokoladensucht hatte in der achten Klasse begonnen, als Jasmin Graf in unsere Klasse gekommen war und mir den Spitznamen Pudelschlampe eingebracht hatte. Als wenn ich durch meine widerborstigen Locken nicht schon genug bestraft gewesen wäre.
    Die verkaterten Wochenenden resultierten Jahre später daraus, als der Spitzname bei meiner Ausbildungsstelle wieder auftauchte. So ist das in einer Kleinstadt. Alles spricht sich schnell herum und bleibt für ewig im Gedächtnis.
    Das gebrochene Herz verdankte ich Tim, meinem damaligen Verlobten, der mich drei Wochen vor unserer Hochzeit mit einer Frau aus seiner Clique betrog, die so maskulin wirkte, dass ich sie bis dato für einen Mann gehalten hatte. Einen Tag nachdem ich beide in flagranti erwischt hatte, floh ich zu meiner Cousine Sophie nach Kiel, suchte mir einen neuen Job und eine eigene Wohnung, und verspürte nicht das geringste Interesse daran, nach Wedel zurückzukehren.
     
     
     

2. Kapitel
     
     
    Mit einem flauen Gefühl im Magen, dem Impuls auf der Stelle umzukehren oder meinen Kopf in den Backofen zu stecken, wuchtete ich die Reisetasche aus dem Kofferraum und versuchte mir einzureden, dass es bestimmt nett werden würde. Ich musste das Haus ja nicht verlassen. Wenn ich die ganze Zeit im Haus bleiben würde, könnte ich es vermeiden, ehemaligen Klassenkameraden zu begegnen. Oder Tim. Ich konnte Nele in den Supermarkt schicken. Oder Pizza ins Haus kommen lassen. Verhungern würden wir also nicht.
    »Du bist dünn geworden. Isst du nicht anständig?« Das war die typische Begrüßung meiner Mutter. Die, oder: »Du hast zugenommen. Allmählich musst du aufpassen.«
    Ich lächelte, stellte meine Reisetasche im Flur ab und folgte meiner Mutter ins Wohnzimmer. Es roch nach der üblichen Mixtur aus Desinfektionsmittel und Mottenkugeln. Kein Wunder, dass Humphrey keine Mäuse ins Haus schleppte. Er war von dem Geruch bestimmt so benebelt, dass er eine Maus nicht von einem Wollknäuel unterscheiden konnte. Letztere lagen als Stolperfallen übrigens überall im Haus herum. Humphrey begrüßte mich mit einem Tango um meine Beine und lief dann einem Wollknäuel hinterher, das ich mit dem Fuß angestupst hatte.
    »Ich habe dir hier alles Wichtige aufgeschrieben«, sagte meine Mutter ohne Umschweife und reichte mir einen Notizblock. »Telefonnummern der Lehrer, Klassenarbeiten, wann der Rasen gemäht werden muss und so weiter.«
    »Sind die Schmerzen besser geworden?« Irritiert bemerkte ich, dass meine Mutter sich völlig normal bewegte.
    »Ach, die Schmerzmittel wirken ganz gut«, erwiderte sie lächelnd.
    »Soll ich dich morgen früh ins Krankenhaus fahren?« Ich setzte mich in den Ledersessel, der mir schon während meiner Jugendzeit viele trostvolle Stunde bereitet hatte. Ein idealer Platz, um zu lesen. Oder um Schokolade zu essen. Oder beides.
    »Nein, ich nehme ein Taxi. Du musst ja bereits um acht Uhr in der Schule sein.«
    Stirnrunzelnd starrte ich sie an. »Wieso das?«
    Meine Mutter strich sich durchs sorgfältig toupierte Haar, das mit zahlreichen Klammern befestigt war. In ihrem zitronengelben Kostüm sah sie wie aus dem Ei gepellt aus, und ich begann, mich in meinem Shirt und der alten Jeans wie das Stiefkind zu fühlen.
    »Neles Klasse macht einen Ausflug ins Theater. Der Klassenlehrer hat zwei Elternteile gesucht, die mitfahren, da auf dem letzten Klassenausflug einiges schief ging. Ich habe mich bereit erklärt mitzugehen, aber nun kam ja der Unfall dazwischen.«
    »Und stattdessen soll ich nun mit? Niemals.« Zur Untermalung meiner Entrüstung verschränkte ich die Arme vor der Brust.
    »Du musst. Die Schule, oder das Schulamt besser gesagt, erlaubt den Ausflug nicht, wenn nicht insgesamt drei Erwachsene mitgehen.«
    »Weshalb? Ist das nicht ein wenig übertrieben? Das ist die achte Klasse. Es sind keine Kleinkinder. Bei uns kam damals immer nur ein Lehrer mit zu solchen Ausflügen.«
    »Ja, aber ihr habt

Weitere Kostenlose Bücher