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Humphrey, ich und Kokolores (German Edition)

Humphrey, ich und Kokolores (German Edition)

Titel: Humphrey, ich und Kokolores (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Vandersee
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halbe Stunde lang warten.«
    »Wirklich, Mama, ich muss los.« Ich hatte Mühe das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken. Wieso war ich denn plötzlich so nah am Wasser gebaut?
    Kopfschüttelnd begleitete mich meine Mutter zur Haustür. »Danke, dass du auf Nele und Humphrey aufgepasst hast. Und dafür, dass du Nele gegenüber nichts gesagt hast.«
    »Gern geschehen«, sagte ich leise, wuchtete meine Reisetasche über die Schulter und lief zum Auto. Meine Mutter blieb in der Tür stehen und winkte mir hinterher. Der Impuls zurückzufahren, und meine Mutter anzubetteln bleiben zu dürfen, wurde für einen Moment so übermächtig, dass ich fast keine Luft bekam. Ich öffnete das Fenster und atmete tief ein.
    Das war albern! Ich hatte mein eigenes Leben in Kiel. Eine eigene Wohnung. Ich konnte nicht in Ernst daran denken, zurück zu meiner Mutter zu ziehen. Vielleicht stimmte mit meinem Geisteszustand doch etwas nicht.
    »Reiß dich zusammen, Lucy Reuter«, sagte ich laut, riss die Musik auf und bog in Richtung Innenstadt ab, anstatt zur Autobahn zu fahren.
     
    Nele trat gerade aus dem Schulgebäude, als ich mich mit schlotternden Knien gegen den Zaun lehnte. Neben ihr lief ein blonder Junge, der ihr- wild mit den Händen fuchtelnd- etwas zu erklären schien, woraufhin sie lachte. Es tat gut, sie lachen zu sehen.
    Ich winkte ihr zu. Einen Moment lang blieb sie verdutzt stehen, dann kam sie auf mich zugerannt.
    »Lucy, was machst du denn hier?«
    »Ich fahre zurück nach Kiel.«
    »Oh.« Ihr Lächeln verschwand.
    »Ich habe dir einen Brief auf dein Bett gelegt. Ich war schon auf dem Weg zur Autobahn, doch dann konnte ich doch nicht einfach so abhauen.«
    »Du wolltest gehen, ohne dich zu verabschieden?« Fassungslos starrte sie mich an.
    »Ich habe es mir ja nun anders überlegt.«
    »Aber du kommst uns doch besuchen, oder? Ich meine, so weit weg ist Kiel doch nicht.«
    »Aber natürlich. Und wenn du magst, kannst du gerne mal ein Wochenende bei mir verbringen.«
    »Das wäre toll.« Das Lächeln war zurück.
    »Wer war der Junge?«
    Nele grinste. »Henrik. Er ist heute neu in die Klasse gekommen.«
    »Sieht nett aus.«
    »Ja, er ist ganz okay«, wiegelte Nele ab, doch ich wusste, dass sie ihn mehr als okay fand.
    »Tja, dann, will ich mal los.«
    »Nele, kommst du?«, rief Henrik.
    »Wir wollen ins Eiscafé«, sagte Nele.
    »Viel Spaß!«
    »Danke!«
    Ich blieb noch eine Weile an den Zaun gelehnt stehen und blickte ihr nach. Als sie um eine Ecke verschwunden war, drehte ich mich um und nahm eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahr.
    Kokolores. Er kam aus dem Nebengebäude, schwer bepackt mit einem Stapel Bücher.
    Als er mich sah, blieb er abrupt stehen.
    Mir wurde heiß und kalt zugleich. Er sah mich einen Moment lang an, dann ging er einfach weiter.
    Ich widerstand dem Impuls, ihm hinterher zu laufen. Er hatte genug von mir. Er glaubte, ich hätte nur mit ihm gespielt.
    Mit einem Kloß im Hals ging ich zurück zum Parkplatz.
    Mein Auto war mit einer Rolle Klopapier verziert worden. »Na toll«, murmelte ich und begann das Papier zu entfernen.
    »Das haben Sie mit meinem Auto auch schon getan.«
    Ich wirbelte herum.
    »Thomas!«
    Da stand er. Müde lächelnd, die Hände in den Hosentaschen verstaut. Am liebsten hätte ich ihn umarmt und wäre mit meinen Händen durch seine zerzausten Haare gefahren.
    Aber ich blieb einfach wie angewurzelt stehen und starrte ihn an.
    »Du fährst nach Kiel zurück?«
    »Ja. Meine Mutter ist wieder zu Hause.«
    Er nahm die Hände aus den Taschen und trat einen kleinen Schritt vor, doch dann hielt er inne. Ich konnte seinen Blick nicht deuten. Seine Körperhaltung verriet deutlich, wie angespannt er war.
    »Hast du wirklich die Katze deiner Mutter absichtlich in dem Garten dieses Typen ausgesetzt, um ihn anzubaggern?«, fragte er plötzlich.
    Ich schluckte. »Irgendwie schon.«
    Er verzog die Mundwinkel und sah zur Seite.
    »Es ist nicht so verrückt, wie es sich anhört. Ich bin nicht so verrückt, wie ich mich gerade anhöre.«
    Ein kleines Lächeln stahl sich auf seine Lippen. »Ich weiß ja nicht, immerhin hab ich dich aus der Geschlossenen abgeholt.«
    »Hey, da war ich schon entlassen worden!«
    Er sah mir direkt in die Augen und lächelte. Meine Knie wurden weich, meine Hände schwitzig. In meinem Kopf begann sich alles zu drehen.
    »Ich hätte dich auch abgeholt, wenn sie dich nicht entlassen hätten«, sagte er leise.
    »Danke.« Danke? War das alles, was ich sagen wollte?

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